Richi, willst du von allen geliebt werden?
Grundsätzlich ja, wer will das nicht? Aber auch für mich gilt: Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.
Hast du je geglaubt, dass eine Gesellschaft ohne Polizei auskommt?
Als Ethnologe weiss ich, dass das möglich ist. Aber das bedingt andere gesellschaftliche Regulierungen. Als Sozialutopist halte ich eine Gesellschaft, die selbstbestimmt, frei und ohne Spannungen funktioniert, theoretisch für denkbar.
Was macht aus jemandem eine/n gute/n Polizisten/in? Sind Menschen mit Migrationshintergrund oder Leute, die in der Stadt wohnen, die besseren Polizist*innen?
Gute Polizist*innen sind wie gute Menschen. Sie sind klug, aufgeschlossen, ernsthaft, empathisch und dialogfähig. Auch in Stresssituationen agieren sie besonnen. Und sie verfügen über ein Mindestmass an Humor und Selbstkritik.
Der Zürcher Flaschenwerfer in Hamburg hat erklärt, er habe den Menschen hinter der Uniform nicht mehr gesehen. Müsste man bei der Aufrüstung und der damit verbundenen “Robocopisierung” der Polizei diesen Aspekt im Auge behalten?
„Aufrüstung“ ist ein grosses Thema, das auch in der Polizei kontrovers diskutiert wird. Mir ist wichtig, dass dabei alle Aspekte berücksichtigt werden. Neben dem Erscheinungsbild und dem, wie das wirkt, auch der Schutz der Polizist*innen.
Seit wann trägst du einen Velohelm?
Manchmal zu selten.
Wird Zürich je eine Velostadt sein oder wird man immer nur darüber reden?
Als ich 10 Jahre alt war, fuhr ich mit dem Velo von Schwamendingen an den Hauptbahnhof. Das war höchst abenteuerlich. Es gab kaum andere Velos. Es gab null, zero Infrastruktur für Velofahrende. Heute ist es viel besser, aber noch (lange) nicht gut. Der velogerechte Umbau der Stadt ist ein träger Prozess. In zwanzig Jahren sind wir vielleicht dort, wo wir heute gerne wären. Dann haben wir wieder neue Ansprüche.
Bist du ein Spaltpilz für die Partei?
Eher ein Psilo. Fantasieanregend, möglicherweise berauschend, allerdings nur vorübergehend, gefolgt von einem Zurücksinken in die Realität, die auch ernüchternd sein kann. Biologistische Analogien sind aber immer heikel und mit grosser Vorsicht zu geniessen.
Mit welchen Argumenten überzeugst du dein kritisches persönliches und politisches Umfeld davon, dass du weiterhin Polizeivorsteher sein willst?
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum sind ein Kernthema des Sicherheitsdepartements. Wie sie gelöst werden, ist entscheidend für die Atmosphäre einer Stadt. Es geht darum, dass sich alle in dieser Stadt sicher fühlen können. Ich glaube, dass ich als Vorsteher des Sicherheitsdepartements einen Beitrag zum guten Zusammenleben leisten kann.
Warum büsst die Stadtpolizei in Zürich Kiffer häufiger als anderswo?
Nächste Frage.
Wird Kiffen in Zürich bald legal? Was unternimmst du dafür?
Das Betäubungsmittelgesetz ist ein Bundesgesetz. Die Hanflegalisierung wurde 2006 leider abgelehnt. Vom Stadtrat aus setzen wir uns auf nationaler Ebene für eine Regularisierung des Konsums ein. Ein Versuch mit wissenschaftlicher Begleitung liegt in greifbarer Nähe. Die Gerichte tragen aktuell einiges zu einer toleranteren Praxis bei. Auch das ist ganz in meinem Sinn.
Befürwortest du persönlich das neue Hardturmstadion?
Der Stadtrat will dem dritten Anlauf für ein neues Stadion eine Chance geben.
Was wäre anders, wenn die Polizei in bürgerlicher Hand wäre?
Vermutlich alles. Das letzte Mal war das in den 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts der Fall. Seit 1990 sind SP, Grüne und nun die AL für die Polizei zuständig. Für mich steht die möglichst friedliche Lösung von Konflikten im Vordergrund: Der Dialog, Runde Tische, Verhandlungen, schlichtende Gespräche, mediationsähnliche Verfahren. Das Zuhören und Eingehen auf Wünsche, Bedürfnisse und Kritik sind mir wichtig. Egal, von welcher Seite sie kommen. Dann die Rekrutierung und Ausbildung neuer Polizist*innen: Mehr Frauen, mehr second@s und mehr Menschen mit Flair für die Stadt werden das Gesicht der Poli- zei verändern.
Konkret?
Bei vielen Alltagsentscheiden gibt es Spielraum. Bei Bewilligungen für Demos, Umzugsrouten, Festen und anderen Anläs- sen. Bei der Grundhaltung gegenüber gesellschaftlichen Fragen wie Zwischen- nutzungen, Protesten im öffentlichen Raum, das Verhältnis zu Minderheiten. Hausbesuche bei Einbürgerungen haben wir drastisch reduziert. Ich habe keine neuen Videokameras im öffentlichen Raum bewilligt und die automatische Nennung von Nationalitäten in Polizeimeldungen abgeschafft.
Wird es je eine Polizei geben, der kein Racial Profiling vorgeworfen werden kann?
Die Praxis wird sich ändern, da bin ich überzeugt, aber vielleicht geht es langsam. Dass Racial Profiling überhaupt ein Thema ist und dass darüber gesprochen wird, ist schon ein grosser Schritt. Jetzt geht es darum, Erkenntnisse in Taten umzusetzen. Da bin ich dran. Das werde ich genau begleiten und alles dazu tun, dass es gelingt.
Wann wird der Kreis 4 wieder uns Bewohner*innen gehören und nicht mehr von der Polizei konstant in Beschlag genommen?
Die Dichte an Polizei(-autos) ist tatsächlich hoch. Ich verstehe, dass das als störend wahrgenommen wird. Anderseits wird die Polizeipräsenz von vielen – Anwohner*innen und Besucher*innen – auch gewünscht und geschätzt. So ist die Polizei, wenn sie gerufen wird, auch schnell vor Ort. Gerade in diesem Quartier, wo die Dichte an Bars, Clubs und Menschen am Wochenende gross und das Leben entsprechend intensiv ist. Neben allem Schönen und Guten kommt es im Gebiet der Langstrasse eben auch vermehrt zu Reibereien, Konflikten und Ärger.
Wann wird sich die Polizei auch hier an die Verkehrsregeln – sprich Einbahnverkehr Langstrasse – halten?
Wenn es dienstlich notwendig ist, muss sich die Polizei nicht an die Verkehrsregeln halten. Dies betrifft nicht nur Notfälle, sondern auch Patrouillenfahrten (Präsenz) – das macht die Stadtpolizei nicht nur in der Langstrasse, sondern auch am Limmatquai oder in der Bahnhofstrasse.
Fragen stellte die Info-Redaktion
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