Am 7. Dezember gab AL-Gemeinderätin Ezgi Akyol ein Interview auf Tele Züri über das BAZ. Auf der Facebookseite von Tele Züri generierte dieser Beitrag 118 Kommentare. Auf die Kommentare gegen geflüchtete Menschen möchten wir hier nicht im Detail eingehen: Sie sind dumm, menschenverachtend und verdienen es, nicht kommentiert zu werden. Heute geht es uns um die Reaktionen, die vor allem Linke und Politiker*innen mit ausländisch klingenden Namen bei diesem Thema erdulden müssen.
Journalist*innen der Plattform Netzpolitik.org des Auslandrundfunks Deutsche Welle und der italienischen Wochenzeitschrift L’Espresso wollten es genau wissen: Sie sammelten im Verlauf von vier Wochen rund 40’000 Kommentare, die über Facebook und Twitter an Abgeordnete in Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz gerichtet wurden. Sie konnten in allen untersuchten Ländern eine hohe Anzahl von aggressiven Kommentaren gegen Geflüchtete und Muslim*innen nachweisen und stufen viele der ausgewerteten Einträge als klar rechts ein. Facebook- und Twitter-Seiten von rechten und populistischen Politiker*innen, die oft selbst emotionale Kommentare verfassen, generieren insgesamt mehr bösartige Kommentare. Diese Einträge richten sich in einer Mehrheit der Fälle gar nicht gegen die jeweilige Person selbst, sondern gegen andere, meist linke Politiker*innen. Reichweitenstarke Social-Media-Seiten bieten rechten Hetzer*innen also eine Plattform für Beleidigungen. Zudem hat die Auswertung gezeigt, dass rechte Politiker*innen bösartige Kommentare eher tolerieren, also nicht sofort löschen. Schweizer Politikerinnen werden laut der neuen Analyse doppelt so häufig persönlich angegriffen wie ihre männlichen Kollegen. Viele Politikerinnen halten sich darum auf Social Media zurück und geben bei gewissen Themen keine Auskünfte mehr. Diese Entwicklung bedroht demokratische Errungenschaften und darf von unserer Gesellschaft nicht toleriert werden.
Viele Kommentare auf Tele Züri waren direkte Angriffe auf die Person Ezgi Akyol. Ihr wurde die Schweizer Bürgerschaft aberkannt, sie wurde als „Ausländerin“ beschimpft und in ihrer Würde als Frau verletzt. Unter den Kommentatoren findet sich auch Derek Richter, Mitglied der SVP Fraktion. Er schrieb unter die Hasskommentare: «Wer das ist? AL-Gemeinderätin!»und verlinkte ihre Wohnadresse, obwohl aus dem Tele-Züri-Beitrag bereits klar ersichtlich war, dass Ezgi AL-Gemeinderätin ist. Derek Richter scheint sie bewusst als Mitglied dieses Parlaments an den Pranger gestellt zu haben und nimmt damit auch in Kauf, dass sie zu Hause belästigt wird. Tatsächlich hat Ezgi vor wenigen Tagen einen Brief mit dem Inhalt erhalten: «Und dir Ausländer-Sau raten wir mit Nachdruck keinerlei Einmischungen in Asylunterkünfte. Sonst sehen wir uns gezwungen an deinem Wohnort aufzukreuzen! – und mehr!»
Die SVP verlangte in ihrer kürzlich verlesenen Fraktionserklärung zur Milkshake-Attacke, dass «Angriffe auf Personen aufs Schärfste zu verurteilen sind.» Wenn der SVP die Einhaltung der Meinungsvielfalt und der demokratischen Rechte ernst ist, soll sie sich von Hetze gegen Andersdenkende und auch der Anfeuerung dazu klar distanzieren, auch in den eigenen Reihen. Hetze im Netz und in der Gesellschaft lässt sich nicht nur technisch und rechtlich lösen, sondern vor allem mit Gegenrede.