Vor knapp 3 Jahren verabschiedete der Gemeinderat die Revision der Bau- und Zonenordnung 2016. Damals kritisierte die AL vehement, dass der Revision kein Kommunaler Richtplan zugrunde lag, der vorgängig festgelegt hätte, wo die Stadt die bis 2040 prognostizierten 100’000 ZuzügerInnen unterbringen will, wo die zusätzlichen Arbeitsplätze entstehen sollen und wo die dafür notwendige Infrastruktur bereitgestellt wird – übrigens eine 10 Jahre alte Forderung der AL. Und wie dieser Verdichtungsprozess sozial- und klimaverträglich und stadtplanerisch koordiniert vonstattengehen soll.
Heute wird uns mitten im ungebremsten Bauboom, der seit ein paar Jahren die halbe Stadt umpflügt, vom Stadtrat die zweite überarbeitete Fassung des Kommunalen Richtplans präsentiert und es braucht vor allem Zweckoptimismus, wenn die AL hier sagt: «Besser spät als nie».
Wir hatten uns während der öffentlichen Auflage mit 16 substantiellen Einwendungen an der Überarbeitung der ersten Fassung des Kommunalen Richtplans beteiligt. Einerseits wollten wir dem technokratisch-quantitativen Verdichtungseifer der Stadt dringend notwendige Massnahmen zum Schutz der städtischen Wohnbevölkerung entgegensetzen. Anderseits nahmen wir die vollmundigen Formulierungen des Stadtrats von qualitätsvoller Verdichtung hin zu einer lebenswerten polyzentrischen «Stadt der kurzen Wege» beim Wort und versuchten, ihnen mit konkreten Umsetzungsvorschlägen die schöngeistige Flughöhe zu nehmen.
Was heisst das? Wir forderten u.a. die Erarbeitung einer gemeindeübergreifenden Strategie zur Arbeitsplatzentwicklung, was einerseits eine stärkere Fokussierung auf Zürich als Wohnstadt ermöglicht und andererseits eine ausgewogene Aufteilung der Arbeitsplätze auch auf die benachbarten Gemeinden erlaubt (Zürich grösser denken!). Nur dies dämmt auf Dauer die Pendlerströme in die Stadt ein, stärkt die Wirtschaft an anderen Orten, entlastet den ÖV und das Strassennetz und kommt dem Stadtklima zugute. Dafür braucht es zusätzlich eine viel aktivere Kooperation zwischen der Stadt und den Gemeinden, als sie heute betrieben wird.
Die sozialen Auswirkungen werden unterschätzt
Auch im jetzt vorliegenden Richtplan unterschätzt der Stadtrat die negativen sozialen Auswirkungen der geplanten Verdichtung massiv. In seiner einseitig fokussierten Güterabwägung kommt der Schutz der bisherigen Bewohnerschaft vor allem in den Transformationsgebieten viel zu kurz. Altbauten mit günstigen Wohnungen werden zugunsten einer höheren Ausnützung abgerissen, etliche BewohnerInnen (darunter auch viele ältere Mitmenschen und Familien) müssen ihre Quartiere verlassen und finden keine ihrem Budget entsprechende Wohnung mehr. Und der Stadtrat begnügt sich mit einem passiven «sozialräumlichen Monitoring», mit dem er die Situation weiterhin beobachten will. Das genügt nicht!
Wir forderten in unseren Einwendungen einen politisch und sozial aktiver gestalteten Entwicklungsprozess in Etappen. Dabei sollten auch Instrumente zum Einsatz kommen, wie sie die Vorschriften zur Gebietssanierung des kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG § 186 ff.) oder eine öffentliche Gestaltungsplanpflicht vorsehen, um den Schutz vor sozialer Verdrängung und Spekulation und auch ein Angebot von zahlbaren Ersatzwohnungen zu gewährleisten. Zentral wäre hier auch die Sicherstellung von bezahlbarem Wohnraum für die ältere Bevölkerung. Ausserdem gehört zu einer aktiv gestalteten Siedlungspolitik auch ein temporärer Verzicht auf die Bonusregelung für Arealüberbauungen, um eine unkoordinierte Flickenteppich-Verdichtung zu verhindern. Von all dem will der Stadtrat zurzeit nichts wissen, einerseits weil ihn das Problem überschaubar dünkt, andererseits, weil er den baubegeisterten GrundeigentümerInnen nicht ins Handwerk pfuschen will und drittens, weil er den Einsatz eines Instruments wie der Gebietssanierung zu kompliziert findet.
Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet
Alles abreissen und neu aufbauen und verdichten ist auch aus Sicht von Ökologie und Ressourcenverbrauch Unsinn. Entscheidend ist nicht so sehr die rein bauliche Verdichtung, sondern primär die Nutzungsdichte, der Wohnflächenverbrauch pro Person, was durchaus wohnliche Städte wie Basel und Genf trotz höherer Wohndichte als Zürich bereits beweisen. Würde darauf mehr Wert gelegt, müsste weniger gebaut werden. Aber auch hier sieht der Stadtrat keine Möglichkeit, den Wohnflächenverbrauch zu steuern und will GrundbesitzerInnen nicht unnötig in ihrer Freiheit behindern. Und beim Thema Zweitwohnungen, temporär vermieteten Business-Apartments und Pensionen durch professionelle Anbieter – sie alle vernichten durch diese renditeträchtige und bis anhin nicht unterbundene Umnutzungsmöglichkeit bestehenden Wohnraum – will er einmal mehr die Situation am liebsten einfach beobachten.
Die AL wird in den kommenden Monaten in der Beratenden Kommission des Gemeinderats den Finger dezidiert und im Detail auf all die Wunden zeigen, die in diesem Kommunalen Richtplan nicht erkannt werden.