In der Vernehmlassung zur Neuregelung der psychologischen Psychotherapie im Rahmen der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung hat sich die Gesundheitsgruppe der AL geäussert. Die gesamte Stellungnahme finden Sie hier.
So exzellent auch das Schweizerische Gesundheitswesen von der Bevölkerung beurteilt wird, so unsozial ist seine Finanzierung. Abgesehen von Kopfprämien und den unsinnigen Selbstbeteiligungen sind verschiedene wichtige Gesundheitskosten von der OKP nicht gedeckt: Sehhilfen, Hörhilfen, Zahnerkrankungen, Verbandsmaterial und eben auch teilweise die Psychotherapie. Wenn schon die out-of-pocket-Zahlungen der Bevölkerung mit gut 30% mit Abstand die höchsten aller OECD-Länder sind, so belaufen sie sich im Bereich Psychotherapie gemäss Zahlen des BFS mit 59,4% auf fast das Doppelte. Der ärmere Teil der Bevölkerung kann sich diese Zusatzausgaben schlicht nicht leisten. Mit andern Worten liegt hier eine Zweiklassen-medizin vor, welche zur Folge hat, dass gerade für jene Bevölkerungsschichten mit der höchsten Morbidität für psychische Erkrankungen eine fatale Unterversorgung vorliegt. Versorgungsdefizite lassen sich ausserdem auch bei manchen sozial stigmatisierten Gruppen (z. B. Migrantinnen und Migranten, trans-Personen, Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten, etc.) gut nachweisen. Die AL begrüsst, dass der Bundesrat diese Versorgungslücke erkannt hat und mit konkreten Massnahmen anpacken will.
Für die AL steht ausser Frage, dass der vom Bundesrat vorgeschlagene Systemwechsel zu Mehrkosten führen wird. Das ist nämlich die logische Konsequenz, wenn die genannten Mängel im aktuellen Gesundheitssystem behoben werden sollen. Die AL wehrt sich gegen Kostenplafonierungen noch vor der Einführung des neuen Systems und bar jeglicher Erfah-rungswerte. Wie in anderen Bereichen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung soll die Entgeltung von psychologischen Psychotherapien gemäss den Prinzipien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit und nicht gemäss politisch ausgehandelten Budgetgrenzen erfolgen. In diesem Zusammenhang wirkt die Tatsache äusserst befremdlich, dass der Bundesrat bereits im Vorfeld auf eine Verschärfung von Kontrollmechanismen pocht. Weder die psychologischen noch die ärztlichen Psychotherapeutinnen und Psychothe-rapeuten haben dieses Misstrauen verdient. Wir sind deshalb strikt gegen die Verkürzung der Kontrollfristen von 40 auf 30 Therapiesitzungen.
Abgesehen vom individuellen Leid verursachen psychische Erkrankungen eine Unmenge von körperlichen Folgeerkrankungen bis zur Invalidisierung, aber auch sehr oft Arbeitsausfälle, Arbeitsplatzverluste und Sozialhilfeabhängigkeit – dies alles mit massiven Kostenfolgen für die Krankenkassen, Krankentaggeldversicherungen, IV, Sozialämter, AHV-Kassen und Steuer-zahlerinnen und -zahler. Das heisst folgerichtig, dass die vermuteten Mehrkosten der neu-en Psychotherapieregelung durch die Einsparungen auf anderen Ebenen mehr als kompensiert werden. Der AL ist es bewusst, dass diese Profite schwer zu beziffern sind. Aller-dings ist das nicht unmöglich und müsste nur schon deswegen erfolgen, da sich die Allgemeinheit ohne Kenntnis dieser positiven Effekte nie ein realistisches Bild über die positiven Auswirkungen medizinischer Investitionen erhält. Ohne diese Daten konzentriert sich die politische Diskussion nur auf die Kostenfrage, was die Stigmatisierungsspirale dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe zusätzlich antreibt.