Die Wahlveranstaltung der AL «Zürich wird umgebaut: Auch für die Alten?» stiess gestern auf eine positive Resonanz. Die vier Inputreferate von AL-Spitzenkandidatin und Mieteranwältin Manuela Schiller, Wädi Angst (Leiter Kommunikation MV, AL-Gemeinderat), Walter von Arburg (Sozialwerk Pfarrer Sieber) und last but not least Stadtrat Andreas Hauri (GLP) boten eine facettenreiche Auslegeordnung. In den Inputs und der anschliessenden Publikumsdiskussion unter Leitung von AL-Kantonsrätin Laura Huonker kristallisierten sich verschiedene Punkte heraus:
- Es braucht innerhalb der Quartiere mehr altersgerechte Wohnangebote, damit Menschen im Alter nicht aus ihrem sozialen Geflecht herausgerissen werden. Wädi Angst betonte: «Hier geht es letztlich auch um eine stadtplanerische Frage (Stichwort Richtplan), wie die Bevölkerungsstruktur aussehen soll und ob der Fokus auf junge Familien uns in 30 Jahren nicht vor neue Probleme stellen wird.»
- Mit besserer Etappierung bei Ersatzneubauten von grossen Überbauungen könnten auch ältere Menschen in ihrer angestammten Wohnumgebung bleiben.
- Die Stadt wird sicher mehr Alterswohnungen bauen; der Nachholbedarf ist erkannt. Wie schnell das geht, konnte Stadtrat Hauri noch nicht sagen, da auch die Finanzierung geplant werden muss. Es wird auch weiterhin Altersheime geben, da diese für gewisse Menschen eine gute Wohnform darstellt. Bei den Pflegeplätzen haben wir momentan etwas mehr Kapazität als Bedarf.
- Einwurf von Manuela Schiller: Es braucht wieder mehr kleinere Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt. Der langjährige Fokus auf Familien hat zu einem Übergewicht an grösseren Wohnungen geführt. Vor allem 3-Zimmerwohnungen verschwinden. Gerade kleinere 3-Zimmerwohnungen können ganz verschiedene Bedürfnisse abdecken und sind auch ideal für ältere Menschen – ob als Paar oder alleine.
- Manuela Schiller wies darauf hin, dass das neue Reglement zur Mindestbelegung der städtischen Wohnungen wohl für ältere Mieterinnen und Mieter zu Problemen führen dürfte: Eine Einzelperson darf bald nicht mehr in einer 55 m2 grossen städtischen 3-Zimmer-Wohnung wohnen, wohl aber in einer 75 m2 grossen 2-Zimmerwohnung. Macht das wirklich Sinn? Manuela Schiller ist gespannt, wie die Stadt damit umgehen wird.
- Kündigungsschutz gibt es in der Schweiz nur bei missbräuchlichen Kündigungen. Das Mietrecht legt den Fokus auf den „Eigentumsschutz“. Früher haben Private und Pensionskassen bei Ersatzneubauten nicht einfach allen Mieterinnen und Mietern gekündigt. Heute ist dem nicht mehr so. Auf die Frage aus dem Publikum, ob die Stadt mit ihren Mieterinnen und Mietern anders umgeht und Ersatzangebote macht, erklärte Stadtrat Hauri, das sei grossmehrheitlich (70-80%) der Fall, zu 100% sei das wohl nicht immer machbar.
- Je mehr finanzielle, gesundheitliche oder psychische Probleme ältere Menschen haben, desto schwieriger wird die Wohnungssuche. Auch die Stadt ist sich bewusst, dass sie ihre Bemühungen intensivieren muss, um den Zugang zu diesen Menschen zu finden und sie unterstützen zu können. Stadtrat Hauri hat vor kurzem selbst das aktuelle Online-Angebot für verschiedene Fragestellungen rund ums Alter in der Stadt Zürich überprüft. Sein Fazit: Nicht so einfach. Hier besteht Verbesserungsbedarf.
- Auch für Anbieter wie das Sozialwerk Pfarrer Sieber ist es schwieriger geworden, Liegenschaften zu finden, die sie für ihr Angebot für die älter werdenden suchtkranken Menschen nutzen können. Das Projekt «Glaubten» ist ein absoluter Glücksfall, da der Stadtverband der reformierten Kirche Zürich hier extra eine Liegenschaft erstellen wird, in der Platz für eine Klinik, Pflegebetten und Wohnraum vom Sozialwerk gemietet werden kann.
- Erfreulich ist die steigende Zahl an Projekten von Wohnbaugenossenschaften oder auch Vereinen, die sich des Themas Wohnen im Alter auf verschiedene Art und Weise annehmen. Etwa mit ü50- oder ü60-Wohnungen oder -Häusern, Clusterwohnungen, generationenübergreifenden Projekten bis zu Genossenschaften, die Pflegebetten anbieten. Hier wird momentan experimentiert und ausgewertet, was ankommt und funktioniert. Laut Stadtrat Hauri machen fünf Pflegebetten in einer Genossenschaft weniger Sinn, da es ein qualitativ gutes und genügendes städtisches Angebot an Pflegeplätzen gibt und es für Genossenschaften aufwendig und anspruchsvoll ist, Qualität und Organisation zu gewährleisten. In diesem Bereich wäre es wünschbar, die Angebote zu koordinieren, um den effektiven Bedürfnissen der älteren Bewohnerinnen und Bewohner Rechnung zu tragen.
Alles in allem ein erfolgreicher Anlass mit interessierten Fragen aus dem Publikum und offener Diskussion mit dem zuständigen Stadtrat. Die Rückmeldungen zum Anlass waren selbst von Fachleuten (frisch pensionierte Mitarbeiterin der Stelle „Wohnen im Alter“) sehr positiv: «Sehr spannender Abend. Ich habe Sachen erfahren, die ich so noch nicht gehört hatte». «Sehr interessanter und vielfältiger Einblick ins Thema» war der Grundtenor der Feedbacks.
Anne-Claude Hensch Frei