An dieser Stelle präsentieren wir jene KandidatInnen aus dem links-grünen Spektrum, die als Neue entweder die Spitze der Liste einnehmen oder eine realistische Chance besitzen, gewählt zu werden. Dieser Woche ist das Manuela Schiller, die die AL-Liste zusammen mit vier anderen Frauen anführt.
Koni Loepfe
Die Alternative Liste versucht seit ihrer Gründung einen Nationalratssitz zu ergattern. Halbwegs gelang dies mit Christine Goll, die allerdings unter dem Siegel der FraP! antrat und später zur SP wechselte. Es fehlte der AL auch nicht an Kandidaten mit einem Ruf über die Parteigrenze hinweg, die im Mieterverband oder in den Gewerkschaften gut verankert waren.
Trotzdem reichte es knapp (mit oder ohne Listenverbindung mit den Grünen und/ oder der SP) nicht, obwohl die Spitzenkandidaten viele Fremdstimmen erhielten. Fremdstimmen nützen bei den Nationalratswahlen nur bedingt. Es braucht deren 35, um eine Wählerin zu aufzuwiegen, die die unveränderte Liste einlegt.
Für diese Wahlen verzichtete die AL darauf, ihre in der Öffentlichkeit bekanntesten Namen zuvorderst zu platzieren: Sie setzt mit fünf Kandidatinnen an der Spitze auf den Frauenbonus, der bei den Kantonsratswahlen mindestens so sehr wie der grüne Trend spielte. Die Liste führt Manuela Schiller an, die sich noch nie ernsthaft um einen Parlamentssitz bewarb. Dennoch und dies gleich vorneweg: Ein politisches Greenhorn ist die zweifache Mutter und zweifache Grossmutter keineswegs. Seit gut 40 Jahren politisiert sie sehr aktiv; zuerst bei den Jusos und der SP in Dietikon, die ihr bald zu wenig links waren. Über Jugendgruppen und die PdA landete sie bei der AL, wo sie als Sachpolitikerin sehr engagiert und vor allem sehr faktenkundig war.
Eine kleine persönliche Erinnerung: Manuela und ihr Mann Jürg Schiller lebten lange in unserer Nachbarschaft. Hörte ich im Coop (damals hiess er noch LVZ) ein Paar sehr eifrig und mitunter durchaus auch lautstark (vor allem sie) über eine Initiative, Ökonomie oder Marxismus diskutieren, wusste ich, Schillers sind auch am Einkaufen. Je nachdem, ob ich Lust hatte, mitzudiskutieren oder meine Ruhe zu haben, lenkte ich meine Schritte im Laden. Eines wusste ich: Mit ein paar flapsigen Sprüchen kann man sich bei ihnen nicht herausreden: eine Diskussion mit ihnen braucht auch Zeit. Heute sind sie sicher etwas ruhiger geworden, aber die Freude an der Diskussion und die Leidenschaft, einen Sachverhalt zu begreifen, sind geblieben.
Die Juristin
Manuela Schiller kam 1957 als Tochter eines Österreichers und einer Italienerin auf die Welt. Mit 18 eingebürgert, gründete sie in Dietikon die JungsozialistInnen mit, unter anderem, um das Jugendhaus wieder zu eröffnen. Im Prinzip ist sie eine Seconda, beim starken Familienzusammenhalt und bei ihrer Freude am Kochen schlägt dies noch durch, sonst aber wenig: Sie wollte nie etwas anderes als Jus studieren, und eine engagierte und von der Sache auch faszinierte Anwältin blieb sie bis heute. Sie arbeitet mit anderen in einem eigenen Anwaltsbüro, wobei sie im Laufe ihrer Berufstätigkeit schwerpunktmässig unterschiedliche Gebiete bearbeitete: Ausländerrecht, Migration, Sozial- und Versicherungsrecht, logischerweise auch Familienrecht; dazu als Konstante Mietrecht, und seit einem guten Jahrzehnt verteidigt sie Fussballfans. Bei ihrem anwaltschaftlichen Engagement spielt ihr Einstehen für die Schwächeren eine Rolle, aber durchaus auch juristisches Fachinteresse. Zum Fussball kam sie 2004 nach der Einkesselung von Fans beim Bahnhof Altstetten durch die Zürcher Polizei eher zufällig. Für das Spiel interessierte sie sich privat schon lange, aber es faszinierte sie auch, die bei der Einkesselung torpedierten Grundrechte zu verteidigen und auch strafrechtliche und polizeiliche Normen zu entwickeln. Weil die Polizei vor allem zu Beginn viele Fehler beging, gewann sie vor Gericht oft. So half sie der Polizei zumindest indirekt zu einem korrekten Vorgehen.
Gegenüber den strafbaren Taten bei den Fussballkrawallen ist sie keineswegs blind. Aber sie kämpft für Verhältnismässigkeit. Ein Paradebeispiel dafür ist ihre Einstellung zur Internetfahndung. Dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft mit der neuen Technik arbeiten, findet sie grundsätzlich akzeptabel: Wenn es um die Aufklärung einer schweren Tat geht und wenn die zum Teil aufwendigen «innerpolizeilichen » Mittel ohne Ergebnis ausgereizt wurden und der Tatnachweis vorliegt. Nur: Eine Internetfahndung kann Unschuldige oder Personen, die sich lediglich einer Übertretung schuldig gemacht haben, treffen und für sie einen grossen und bleibenden Schaden anrichten. Dazu kommt, dass neue Repressionsmittel gerne gegen unbeliebte Gruppen (bis Sündenböcke) eingesetzt werden und später auf alle ausgedehnt werden.
Mietrecht
Manuela Schiller befasst sich juristisch und politisch schon seit langem mit dem Mietrecht. Sie ist Präsidentin des Stadtzürcher Mieterverbandes und sie kennt die Realität in der Stadt Zürich ausgesprochen gut. Sie lässt sich durch Schlagworte wie Verdichtung und Ökologie nicht so schnell beeindrucken. Beides zweifelt sie etwa beim Neubau der CS an, wo sie MieterInnen vertritt. Wenn Häuser mit einer Fernwärme durch solche mit Bodenwärme ersetzt werden und wenn die viel teureren Wohnungen vor allem bewirken, dass gleich viele oder gar noch weniger Personen als bisher auf mehr verbauter Fläche wohnen, ist dies weder ökologisch noch verdichtet. Ihre Praxiserfahrung zeigt sich auch bei anderen Themen: Wird an einer Veranstaltung (etwa bei der Avivo) darüber geklagt, dass bei der AHV eine Heiratsstrafe bestehe, akzeptiert sie dies grundsätzlich, gibt aber zu bedenken, dass etwa Witwen mit dem jetzigen Modus besser fahren. Wenn die Ersetzung der obligatorischen Pensionskasse durch eine ausgebaute AHV verlangt wird, stimmt sie im Grundsatz zu. Aber sie gibt zu bedenken, dass die in der AHV gelebte Solidarität auch von einem breiten Mittelstand und der Arbeiterelite nur bedingt mitgetragen werde. Wer Jahre in die Pensionskassen einzahlte, will die Gegenleistung.
Manuela Schiller fehlt die parlamentarische, aber weder die politische noch die sachliche Erfahrung. Sie wird in Bern durch ihr Wissen und kaum durch Schauspielaktionen für Unruhe sorgen.
Aus: P.S. vom 20. September 2019