Steuervorlage 17 ist masslos und unausgewogen
Die Steuervorlage 17 ist rundum ungerecht, soviel können wir nach den Blogs 1 – 6 festhalten:
- sie senkt die Firmensteuern um ein Viertel
- reizt alle neuen Sonderabzüge vollständig aus
- befreit bis zu 70 Prozent der Firmengewinne von jeder Steuerpflicht
- reisst ein Loch von rund einer halben Milliarde Franken in die Kassen von Kanton und Gemeinden
- begünstigt einseitig grosse Konzerne und ihre überwiegend ausländischen Aktiônär*innen
- enthält keine Gegenfinanzierung zulasten der Profiteure
- bringt weder Steuerentlastungen für Wenigverdiener*innen noch andere soziale Ausgleichsmassnahmen.
Fazit: die Vorlage ist masslos und sozial unausgewogen.
Sogar Leupi hat Zweifel
Das musste sogar Stadtrat Daniel Leupi, der sich von Cleverle Stocker mit verlockenden Kompensationszahlungen einlullen liess, unlängst im TA-Interview zugeben:
«Es bleibt erstens ein Ärger, dass die durch die nationale Vorlage geschaffenen neuen Instrumente zur Steuerreduktion nicht deutlich enger definiert wurden. Ein zweiter Ärger ist, dass der Kanton Zürich seinen Spielraum voll ausschöpft. Was das für Folgen hat, ist unklar.»
(Tagesanzeiger 17. Juli 2019)
Schrittweise Entlastung von Unternehmen und Kapitalbesitzer*innen
Diese einseitige Entlastung der Unternehmen ist umso stossender, als Firmen und Besitzende in den letzten zwei Jahrzehnten mehrmals kräftig entlastet worden sind (vgl. dazu auch Anfrage Feldmann KR 2014/7):
- 2000: die Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen wird abgeschafft
- 2001: Firmenprofite beim Verkauf von massgeblichen Beteiligungen werden von der Gewinnsteuer befreit
- 2005: die Kapitalsteuer für Firmen wird halbiert und die bisher progressive Gewinnsteuer durch den Übergang zu einer 8-Prozent-Proportionalsteuer reduziert
- 2008: Grossaktionär*innen müssen ihre Dividenden nur noch zur Hälfte versteuern
- 2011: Firmen können neu steuerfreie Dividenden aus Kapitaleinlagereserven ausschütten (USR II)
- 2014: Steuerbefreiung von Firmen für Beteiligungserträge wird ausgeweitet
- 2019: neu können Unternehmen bei der Grundstückgewinnsteuer Geschäftsverluste abziehen.
2000 – 2018: Gewinne, Kapital und Steuern driften auseinander
Das schlägt sich auch deutlich in der Entwicklung von Kapital, Gewinnen und Steuern zwischen 2000 und 2018 nieder (Beträge jeweils in Mio Fanken):
|
2000 |
2018 |
Veränderung |
Kapital |
156 875 |
496 896 |
+ 217% |
Kapitalsteuer |
150 |
183 |
+ 22% |
Gewinn |
9 079 |
17 947 |
+ 98% |
Gewinnsteuer |
640 |
1 101 |
+ 72% |
Fazit: Das Eigenkapital der Firmen hat sich mehr als verdreifacht, die Kapitalsteuer ist bloss um 22% gestiegen. Die Gewinne haben sich verdoppelt, die Gewinnsteuer ist aber nur um drei Viertel gestiegen.
Kein Anlass für neue Steuerprivilegien
Auf grundsätzlicher Ebene spricht also gar nichts dafür, zusammen mit der zwingenden Aufhebung international geächteter Firmensteuer-Privilegien den Unternehmen erneut entgegenzukommen und neue Goodies zu gewähren. Zudem zeigt sogar die BAK-Studie der Finanzdirektion, die das Abwanderungsrisiko krass überzeichnet, dass das Beibehalten der heutigen Regelung vorteilhafter ist als die Steuervorlage 17 (vgl. dazu Meinen Blog «Züri-Bschiss Nr. 2: BAK-Studie zu Steuerausfällen beweist: Status quo ist besser als behauptet»).
Was passiert bei einem Nein?
Gestützt auf das Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) des Bundes fallen auch bei einem Nein die bisherigen Privilegien der Statusgesellschaften auf Ende Jahr automatisch dahin. Gleichzeitig treten auch verschiedene zwingende StHG-Bestimmungen in Kraft. So etwa Art. 78, der bisher steuerprivilegierten Gesellschaften für eine Übergangszeit erhöhte Abschreibungen und damit eine massive Reduktion der Gewinnsteuer erlaubt. Bis das Parlament eine neue Vorlage beschlossen hat, wird die Kantonsregierung ermächtigt, die «erforderlichen vorsorglichen Massnahmen» zu treffen (Art. 72z).
Realpolitischer Plan B
Bei der Umsetzung muss einzig die Patentbox eingeführt werden, in allen anderen Punkten kann der Kantonsrat frei entscheiden. Auf realpolitischer Ebene ist folgender Plan B denkbar:
- Sinnvoll scheint es, wie in der Steuervorlage 17 die sogenannte «Kapitalbox» zu übernehmen und einen Teil des Eigenkapitals, das auf Beteiligungen und Konzerndarlehen entfällt, von der Kapitalsteuer zu befreien. Damit bleibt die Steuerlast für Holdings praktisch unverändert, Kanton und Gemeinden erleiden keine nennenswerten Ausfälle und das Abwanderungsrisiko tendiert gegen Null.
- Bei der Patentbox, die die STAF zwingend vorschreibt, muss die Gewinnreduktion weit unter den maximal zulässigen 90 Prozent angesetzt werden. Auch die maximal erlaubte Reduktion des steuerbaren Gesamtgewinns ist sehr tief anzusetzen.
- Auf den Abzug für Forschung & Entwicklung und den «Eigenfinanzierungsabzug» ist zu verzichten.
- Falls eine Reduktion des Gewinnsteuersatzes ins Auge gefasst wird – was ich persönlich ablehne – dann nur auf 7 Prozent und nur unter der Bedingung, dass die Besteuerung von Dividenden von Grossaktionär*innen von 50 auf 70 Prozent erhöht und soziale Ausgleichsmassnahmen – höhere Kinderzulagen oder mehr Prämienverbilligung – getroffen werden. Eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung würde für Kanton und Gemeinden immerhin 70 bis 80 Mio Franken einbringen.