Steuerabzug für fiktive Zinsen
Mit der Steuervorlage 17 soll auch der sogenannte «Eigenfinanzierungsabzug» eingeführt werden. Damit können Firmen mit hohem Eigenkapital-Anteil nicht nur die effektiv bezahlten Zinsen auf dem Fremdkapital, sondern auch virtuelle Zinsen auf dem «überschüssigen» Teil ihres Eigenkapitals bei den Steuern abziehen. Konzipiert ist dieses spezielle Steuerschlupfloch primär für hoch kapitalisierte Konzernfinanzierungsgesellschaften, die Tochtergesellschaften im In- und Ausland finanzieren. Diese wurden bis Ende 2018 ohne jede gesetzliche Grundlage, allein auf Basis eines Kreisschreibens der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV), in Bund und Kantonen mit extrem niedrigen Gewinnsteuersätzen im tiefen einstelligen Prozentbereich besteuert und profitieren im Moment noch während fünf Jahren von einer Übergangsregelung zu den alten Konditionen (sogenanntes Grandfathering).
Zinsabzug auf 85 Prozent des Kapitals
Laut § 65b des revidierten Steuergesetzes richtet sich der kalkulatorische Zinssatz auf dem «überschüssigen» Eigenkapital «nach der Rendite von zehnjährigen Bundesobligationen». Angesichts der aktuellen Negativzinsen klingt das total beruhigend. Soweit das Eigenkapital jedoch auf Forderungen aller Art gegenüber Tochtergesellschaften entfällt, «kann ein dem Drittvergleich entsprechender Zinssatz geltend gemacht werden». Mit anderen Worten: die Konzernfinanzierungsgesellschaft kann einen Zinssatz verrechnen, wie ihn die Empfängerin auf dem lokalen Kapitalmarkt z.B. einer Bank bezahlen müsste. Da sind wir dann – vor allem bei Krediten an Filialen im Ausland – ganz rasch bei viel höheren Ansätzen als den Negativzinsen der Bundesoblis… Der im April 2019 veröffentlichte Entwurf des Bundesrats zur «Verordnung über den steuerlichen Abzug auf Eigenfinanzierung» sieht für Darlehen an Konzerntöchter einen niedrigen Eigenkapital-Anteil von bloss 15 Prozent vor. Das bedeutet, dass eine vollständig mit Eigenkapital unterlegte Finanzierungsgesellschaft auf 85 Prozent ihres Kapitals einen fiktiven Zinsabzug machen kann.
Regierung vertraut auf pwc und hofft auf Mehreinnahmen
Solche Abzüge, zumal auf der Basis ausländischer Kreditsätze, dürften dann doch reichlich einschenken. Entsprechend widersprüchlich sind die Angaben zu möglichen Ausfällen. Bei der USR III und einer gesamtschweizerischen Einführung rechnete der Bund 2016 mit Ausfällen bei Kantonen und Gemeinden von 290 Mio Franken. Das wären für Kanton und Gemeinden in Zürich gut 60 Mio Franken Mindereinnahmen. Laut Weisung des Regierungsrats soll es jetzt aber plötzlich zu Mehreinnahmen von 57 Mio Franken für den Kanton und 40 Mio Franken für die Gemeinden kommen – alles gestützt auf eine klassische «Wünsch-dir-was»-Umfrage von pwc im Auftrag der Zürcher Handelskammer, die beide zuvor an vorderster Front für den Abzug lobbyiert hatten… Die Regierung beruhigt, mit Kollateralschäden sei nicht zu rechnen. Vom neuen Abzug Gebrauch machen würden wohl bloss die bisherigen Finanzierungsgesellschaften. Grossbanken und Versicherungen kämen nicht zum Zuge und von den übrigen 26 grössten Unternehmen könnten «lediglich 7 Gesellschaften» vom neuen Abzug profitieren (Weisung S. 30f.). Hier sind wir definitiv im Reich der Vermutungen angelangt.
Das Tandem pwc/Zürcher Handelskammer als Strippenzieher in Bern und “Experten” der Zürcher Regierung
«Lex Zürich» mit eingebauter Steuerfuss-Bremse
Pikantes Details zum Schluss: Eingebaut in die Steuerreform wurde dieser vom Bundesrat nicht beantragte Sonderabzug erst nach penetrantem Zürcher Lobbying, bei dem sich neben der Zürcher Handelskammer und PriceWaterhouseCoopers vor allem SVP-Regierungsrat Ernst Stocker und SVP-Nationalrat und Banker Thomas Matter ins Zeug legten. Als Kuriosum erliess die Bundesversammlung eine massgeschneiderte «Lex Zürich»: Erlaubt ist der Eigenfinanzierungsabzug nur in Kantonen mit einem gesetzlichen Mindeststeuersatz (ohne Bundessteuer) von 13.5 Prozent am Kantonshauptort. Dabei haben sich die willfährigen SVP-Handlanger der Konzernlobbys selber ein Ei gelegt. Zurzeit beträgt der Steuerfuss (Bund, Kanton, Gemeinde, Kirchensteuer) für Unternehmen in der Stadt Zürich 229.01%. Damit haben die Urheber dieses gesetzgeberischen Krüppels eine Steuerfusssenkungs-Bremse eingebaut. Sinkt der Gewinnsteuersatz von 8 auf 6 Prozent, wie von den Bürgerlichen geplant, resultiert noch ein Gewinnsteuersatz von 13.74 Prozent (229.01% von 6 Prozent). Im Kanton soll der Steuerfuss nach dem Willen der Bürgerlichen ab 2020 um zwei Punkte von 100% auf 98% gesenkt werden. In der Stadt Zürich fordert die SVP regelmässig eine Reduktion des Steuerfusses um mindestens 3%. Setzt sie sich damit durch, landen wir für Firmen bei einem Steuerfuss von 224.01% und damit einer regulären Gewinnsteuerbelastung von 13.44 Prozent. Dann heisst es subito Tschüss für den «Eigenfinanzierungsabzug» und die eifrig angefixten Profiteure müssen über Nacht massiv mehr Steuern blechen…
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