Gewinnsteuer-Senkung bringt eine halbe Milliarde Franken Ausfälle
Ausfälle kann man zunächst statisch berechnen, also unter der Annahme, dass es nicht zu Verhaltensänderungen kommt. Betrachten wir zunächst die Gewinnsteuer-Einnahmen. 2015 – das letzte Jahr mit bereinigten Daten – nahm der Kanton bei einem Basissteuersatz von 8 Prozent insgesamt 1’055 Mio Franken Gewinnsteuern ein. Wird dieser Satz um ein Viertel von 8 auf 6 Prozent gesenkt, so resultieren Mindereinnahmen von 264 Mio Franken respektive 132 Mio Franken pro Gewinnsteuer-Prozent. Dazu kommen nochmals 310 – 320 Mio Franken Gemeindesteuern, vor allem in der Stadt Zürich. Dem stehen geschätzte Mehreinnahmen wegen der Aufhebung der bisherigen Privilegien von 60 Mio Franken beim Kanton und 45 Mio Franken bei den Gemeinden gegenüber. Per saldo kommen wir auf einen Steuerausfall von 474 – 484 Mio Franken – also knapp eine halbe Milliarde Franken. Da die Gewinnsteuererträge seit 2015 gestiegen sind, dürfte es noch einiges mehr sein. In diesem Betrag sind die substanziellen Ausfälle aufgrund der Patentbox, des 150%-Abzugs für Forschung und Entwicklung (F&E) und des Eigenfinanzierungsabzugs noch nicht berücksichtigt. Ebensowenig die Ausfälle wegen der neuen Abzugsmöglichkeiten bei der Kapitalsteuer. Damit haben wir fürs Erste mal eine ungefähre Grössenordnung.
Steuersimulation von BAK Economics
Soweit die statische Betrachtung. Da Firmen bei Steuersatzänderungen ihr Verhalten ändern können, hat die Finanzdirektion bei ihrem Haus-Gutachter, BAK Economics in Basel, eine dynamische Simulation der möglichen Ausfälle bestellt. Die BAK-Studie «Steuervorlage 17: Simulationsresultate» vergleicht im Wesentlichen eine Grundsimulation (status quo plus Einführung der obligatorischen Patentbox) und eine Simulation des aktuellen politischen Vorschlags (APV) mit Senkung des Gewinnsteuersatzes auf 6 Prozent und Nutzung aller Abzugsmöglichkeiten (ohne Eigenfinanzierungsabzug). Mit einem cleveren Algorithmus will BAK berechnen, wie sich die geplanten Senkungen der Firmensteuern in anderen Kantonen auf Zürich auswirken und wie sich das Risiko von Wegzügen in andere Kantone oder ins Ausland entwickelt. Einbezogen werden mögliche Veränderungen sowohl bei den kantonalen Gewinn- und Kapitalsteuern wie beim Kantonsanteil der direkten Bundessteuer. Da sie auf einer dynamischen Berechnung beruhen und sämtliche einnahmenrelevanten Faktoren einbeziehen, sind die BAK-Zahlen nicht direkt mit der vorangehenden statischen Berechnung vergleichbar.
Szenario «mittel»: status quo nicht schlechter als Steuervorlage 17
Die Befürworter*innen wollen uns weismachen, dass ohne die Steuervorlage 17 noch grössere Steuerausfälle drohen. Die BAK-Simulation kommt jedoch zu einem aufsehenerregenden, bisher weder von der Politik noch von den Medien beachteten Ergebnis: im «mittleren» Szenario sind die Ausfälle bei der Grundsimulation, also dem status quo, gleich hoch wie bei der APV-Vorlage mit Reduktion auf 6 Prozent und allen Abzugsmöglichkeiten (minus 529 Mio gegenüber minus 527 Mio CHF)! Für die Gemeinden ist das Ergebnis sogar günstiger:
«Die Grundsimulation zeigt die möglichen fiskalischen Mindereinnahmen gegenüber einer Situation ohne SV17 auf. Im „mittleren“ Szenario, welches mit Bezug auf die getroffenen Annahmen als am wahrscheinlichsten angesehen wird, liegen die Mindereinnahmen bei minus 311 Mio. CHF für den Kanton und minus 218 Mio. CHF für die Gemeinden. (…) In der APV-Simulation betragen die Einnahmenrückgänge minus 275 Mio. CHF und fallen damit um 36 Mio. CHF geringer aus. Für den Kanton stellt das APV-Massnahmenbündel damit jenes mit den geringsten Mindereinnahmen dar. Dies gilt jedoch nicht für die Gemeinden, bei welchen die Mindereinnahmen vom Grund- zum APV-Szenario um 34 Mio. CHF auf minus 252 Mio. CHF ansteigen.»
(Zusammenfassung, Seite 3)
BAK: Steuervorlage 17 – Simulationsergebnisse | |||
Mittlere Reaktion | Schwache Reaktion | Starke Reaktion | |
Mio CHF | Mio CHF | Mio CHF | |
Kanton (inkl. Anteil DBSt) | |||
Reaktion bei 8% Gewinnsteuer | -311 | -19 | -452 |
Reaktion bei 6% Gewinnsteuer | -275 | -75 | -520 |
Gemeinden | |||
Reaktion bei 8% Gewinnsteuer | -218 | 80 | -360 |
Reaktion bei 6% Gewinnsteuer | -252 | -51 | -494 |
Kanton und Gemeinden | |||
Reaktion bei 8% Gewinnsteuer | -529 | 61 | -812 |
Reaktion bei 6% Gewinnsteuer | -527 | -126 | -1014 |
Quelle: BAK Economics: Steuervorlage 17, Simulationsergebnisse S. 16 + 20 |
Im Szenario «schwach» und «stark» schneidet status quo besser ab
Noch krasser ist das Ergebnis in den beiden anderen Szenarien. Im Szenario «schwache Reaktion» resultiert beim status quo ein Mehrertrag von 61 Mio CHF, bei der APV-Vorlage dagegen ein Verlust von 126 Mio CHF. Im Szenario «starke Reaktion» führt der status quo zu Ausfällen von 812 Mio CHF, die APV-Vorlage zu solchen von 1014 Mio CHF. Und: in allen drei Szenarien fahren die Gemeinden mit dem status quo am besten.
Alchemisten der BAK beim Justieren ihres Algorithmus
BAK behauptet: Reduktion auf 7 oder 6 Prozent ist Hans was Heiri
Noch ein weiteres irritierendes Ergebnis kann man der BAK-Studie entnehmen. Glaubt man dem BAK-Algorithmus, so resultieren bei einer Senkung des Gewinnsteuersatzes von 8 auf 7 Prozent mit 545 Mio CHF sogar höhere Ausfälle als bei einer Reduktion von 8 auf 6 Prozent, bei der sich Verluste von 527 Mio CHF ergeben (BAK, Seite 24). Dieses Ergebnis widerspricht jeder Logik, führt doch eine Reduktion des Gewinnsteuersatzes um 1 Prozent kalkulatorisch zu einem Einnahmenverlust von rund 130 Mio CHF beim Kanton und 150 – 160 Mio CHF bei den Gemeinden. Eine Erklärung, warum sich dieser Ausfall dank BAK-Algorithmus komplett in Luft auflöst, bleiben die Studienverfasser schuldig.
Entscheidend für die Ergebnisse solcher «dynamischen» Simulationen sind die Eckdaten und Annahmen, mit denen der Algorithmus gefüttert wird. Damit und mit ein paar Denkfehlern der BAK-Studienautoren befasse ich mich im nächsten Zueri-Bschiss-Blog.
(Fortsetzung folgt)