In den Fokus der Öffentlichkeit rückte er mit der Lancierung von zwei gegensätzlichen Kampagnen im vergangenen Sommer, jener der «Sexarbeit ist Arbeit»-Kampagne von ProKoRe (der Vereinigung von Personen aus dem Sexgewerbe) und jener des Frauenzentrums, in der das sogenannte «Schwedische Modell» propagiert wird, das vor genau 10 Jahren in Form der Freierstrafe den Konsum von sexuellen Dienstleistungen für illegal erklärte. Die AL-Frauen* nahmen die Kontroverse zum Anlass, das Thema an der November-Vollversammlung nach einem Input zur jetzigen Zürcher Praxis zur Diskussion zu stellen.
Sexuelle Dienstleistungen im Spannungsfeld
Die mehrheitlich weiblichen Sexarbeitenden (insbesondere jene «an der Front») bewegen sich in einem hochkomplexen sozialen, ökonomischen und politischen Spannungsfeld, wo alle Aspekte des modernen Lebens aufeinanderprallen. Da trifft ein vollständig globalisierter Markt auf föderalistisch organisierte Bestimmungen. Da spielt die Moral mit all ihren Facetten eine Rolle, Stigmatisierung geht Hand in Hand mit Traditionsbewusstsein und Religion, Vorstellungen von Sexualität treffen auf Sexismus. Da geraten ein liberales Körperverständnis, der Anspruch auf körperliche Unversehrtheit und die Prinzipien der Menschenwürde aneinander, Menschenhandel versteckt sich hinter Migrationsrecht, Baugesetze stehen den Arbeitsrechten gegenüber.
Empowerment statt Bevormundung
Es gibt in diesem Milliardenbusiness die ganze Bandbreite von ausbeuterischer Abhängigkeit bis zu lukrativer selbstbestimmter Arbeit. Die Grenzen zwischen Dienstleistung und Ware sind verschwommen. Es gibt die ökonomischen Mechanismen von Angebot und Nachfrage, die Dynamik eines superkapitalistischen Markts und die Möglichkeiten staatlicher Regulierung. Und es gibt die feministischen Vorstellungen, deren Umsetzung, wenn sie nicht richtig durchdacht wird oder sich von falschen Motiven leiten lässt, den Betroffenen statt Emanzipation und Empowerment Paternalismus und Bevormundung beschert.
Recht auf Arbeitsschutz
Die zahlreichen Voten der Diskussionsteilnehmer*innen nahmen die Komplexität des Themas auf, stellten aber auch zusätzliche Fragen in den Raum. Konsens bestand darüber, dass Sexarbeit Arbeit ist – wenn auch nicht eine wie jede andere –, und dass für eine möglichst gefahrenfreie, existenzsichernde und selbstbestimmte Ausübung dieser Arbeit die Bedingungen optimal verbessert werden müssen. Die vollständige Entkriminalisierung dieses Gewerbes wäre ein Schritt in diese Richtung. Eine Verschärfung der Gesetze, zum Beispiel in Form der Freierstrafe, würde die Situation der Sexworker*innen hingegen massgeblich verschlechtern. Die Sexarbeit könnte nur noch im Geheimen ausgeübt werden und würde dadurch um einiges gefährlicher. Das Ziel, die Arbeit in diesem Gewerbe so sicher wie möglich zu gestalten, würde in weite Ferne rücken.
AL Frauen*