Seit dem Mega-Bschiss der Merz-Reform von 2008 (USR II), als Ausfälle in Milliardenhöhe verschwiegen und die Stimmberechtigten irregeführt wurden, sind mögliche Einnahmenverluste bei Unternehmenssteuerreformen ein heisses Eisen.
Kantone und Gemeinden: gleich grosse Ausfälle wie bei der USR III
Der Bundesrat hat sich diesmal bemüht, es besser zu machen, und eine detaillierte Studie mit verschiedenen Simulationsrechnungen in Auftrag gegeben. Die im März 2018 veröffentlichte Studie («Dynamische Schätzung der Einnahmeeffekte der Steuervorlage 17») basiert auf der geplanten Umsetzung der STAF in den Kantonen und wurde im September 2018 aufgrund des Parlamentsentscheids aktualisiert.
Bei statistischer Betrachtung – also ohne Berücksichtigung von Verhaltensänderungen der Firmen wegen höherer oder tieferer Steuerbelastung – kommt die Studie zu folgenden Ergebnissen:
- Nach Berücksichtigung von Gegenfinanzierungen (höhere Dividendenbesteuerung etc.) verzeichnen Bund, Kantone und Gemeinden netto einen Einnahmenausfall von 2 000 Millionen Franken;
- Nimmt man die Erhöhung des Bundesbeitrags an die AHV, die Teil des Deals ist, hinzu, resultiert ein Minus von 2 838 Milliarden Franken;
- Dieser Betrag entfällt je zur Hälfte auf den Bund einerseits und Kantone und Gemeinden andererseits;
- Die geschätzten Ausfälle bei Kantonen und Gemeinden betragen 1 415 Millionen Franken, das ist praktisch gleich viel wie bei der USR III, wo man von 1 492 – 1 582 Millionen Franken ausging.
Dynamische Variante: Plus bei Einkommens-, Minus bei Firmensteuern
Die Studienautoren haben auch eine dynamische Variante berechnet, die Verhaltensänderungen – Weg- und Zuzüge, Verlagerung von Steuersubstrat, Gewinnwachstum, Zuwanderung etc. – einbezieht. Die mittlere Variante kommt zu folgendem Ergebnis:
- Statt des Ausfalls von 2 000 Mio Franken beim statischen Modell resultiert beim mittleren Szenario ein Mehrertrag von 1 397 Mio Franken, der sich aus verschiedenen Mehr- und Mindererträgen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zusammensetzt;
- Entscheidende Erkenntnis: Auch im dynamischen Szenario bleibt die Bilanz bei den Unternehmenssteuern mit Ausfällen von 730 Mio Franken negativ (statisches Modell: -2 199 Mio);
- Der positive Saldo resultiert einzig aufgrund von 863 Mio Franken Einkommens- und Vermögenssteuern von zusätzlich beschäftigen natürlichen Personen, 326 Mio Franken höheren Mehrwertsteuereinnahmen und 938 Mio Franken zusätzlichen Einnahmen bei den Sozialversicherungen (AHV/IV/EO/ALV).
Wachstum bringt Kantonen Mehraufwand ohne Mehrertrag
Für die Kantone, die weder an der Mehrwertsteuer noch an den Sozialversicherungsbeiträgen partizipieren, ist das kein erfreuliches Ergebnis. Die prognostizierten Steuerzuwächse bei den natürlichen Personen liegen zwar leicht über den erwarteten Ausfällen bei den Firmen. Sie sind aber nicht gratis zu haben, sondern sind mit erheblichen Zusatzaufwendungen bei Infrastruktur, Bildung, Kinderbetreuung etc. verbunden – ein Aspekt, der bei einer dynamischen Betrachtung berücksichtigt werden müsste. Rechnet man die 938 Mio Franken Sozialversicherungseinnahmen anhand der Angaben der Studie hoch, kommt man auf eine Lohnsumme von 7 900 Mio Franken: das sind zwischen 80 000 und 100 000 zusätzliche Personen.
Lückenhafte Basisdaten
Kommt hinzu, dass auch die Grundannahmen des statischen Szenarios Fragen aufwerfen. Für die schwer zu prognostizierenden Ausfälle aufgrund der Patentbox und des Überabzugs für Forschung und Entwicklung liegen aus einigen Kantonen konkrete Schätzungen vor, für etliche, unter anderem für Bern, St. Gallen und Tessin, hat jedoch der Bund bloss gleichartige schematische Annahmen getroffen. Ein happiger Ausfallposten sind die Anpassungen bei der Kapitalsteuer, der auf 314 Millionen Franken veranschlagt wird. Allerdings sind hier für verschiedene Kantone, die Reduktionen planen, u.a. für den Kanton Zürich, keine Zahlen eingesetzt. Stichproben-Vergleiche mit einigen kantonalen Umsetzungsvorlagen zeigen bei einzelnen Positionen zum Teil höhere Ausfälle als in der Bundesstudie.
Überschätze Mehreinnahmen?
Das Basis-Szenario rechnet bei den Statusgesellschaften mit einer Erhöhung des durchschnittlichen Steuersatzes von 8.82% auf 11.33% und einem Zuwachs der Steuereinnahmen von rund 29 Prozent von 6 135 auf 7 937 Millionen Franken. Swiss Holdings, die Dachorganisation der grossen Schweizer Konzerne, hat kürzlich auf Basis einer repräsentativen Mitglieder-Umfrage deutlich andere Zahlen kommuniziert. Danach zahlt ein Viertel der befragten Konzerne künftig substanziell höhere Steuern, das heisst über 15 Prozent mehr als heute. Die Hälfte rechnet mit einer 5 bis 15 Prozent höheren Belastung, für das restliche Viertel verändert sich kaum etwas (Tagesanzeiger 2. Mai 2019). Diese Angaben könnten ein Indiz sein, dass die Studie des Bundes den Effekt der neuen Steuerabzüge möglicherweise unterschätzt.