«Werkzeugkasten» für die Kantone
Im Rahmen der STAF bietet das Parlament den Kantonen eine Palette von Abzugsmöglichkeiten zur Reduktion der Gewinnsteuern. Die beiden wichtigsten:
- Vorgeschrieben wird den Kantonen die «Patentbox» (Reduktion des steuerbaren Gewinns aus Patenten und vergleichbaren Rechten um 90 Prozent); die Kantone können jedoch eine geringere Reduktion festsetzen;
- erlaubt wird ein Zusatzabzug für Forschung und Entwicklung (bis zu 150 Prozent des effektiven Aufwands);
- Abzugs-Plafond: Alle durch die STAF eingeführten Abzüge zusammen dürfen den steuerbaren Gewinn höchstens um 70 Prozent vermindern, die Kantone können diesen Abzugs-Plafond jedoch auch tiefer ansetzen.
Patentbox: Büchse der Pandora mit ungewisser Zukunft
Das Instrument der «Patentbox» wurde von Belgien erfunden. Als Pionierkanton hat Nidwalden 2011 – gegen den ursprünglichen Antrag der Regierung, die Lämpen mit der OECD vermeiden wollte – eine Lizenzbox eingeführt, mit der die eh schon rekordtiefe kantonale Unternehmenssteuer nochmals um 80 Prozent von 6% auf 1.2% reduziert wird und die es auf die Liste schädlicher Steuerpraktiken der OECD geschafft hat (Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktion 5, Abschlussbericht 2015, S. 71). Unter der Bedingung, dass die verwerteten Patente überwiegend auf Forschungsergebnissen der steuerbegünstigten Firma im Inland beruhen, ist die Patentbox im Moment noch OECD-konform. Wenn sie – was zu erwarten ist – zunehmend als Steuerschlupfloch genutzt wird, dürfte sie allerdings bald wieder auf dem Prüfstand kommen.
Streitpunkt IT-Profite
Bei der USR III wurden explizit auch Lizenzerträge aus Software-Programmen – die in der Schweiz nicht patentiert werden können – der Patentbox unterstellt. Dieser Punkt wird in der STAF zwar fallengelassen. Da in den USA Software patentiert werden kann und ausländische und inländische Patente gleich behandelt werden sollen, kommen IT-generierte Profite durch die Hintertür trotzdem in den Genuss von Steuererleichterungen. Zudem kann Software auch in der Schweiz patentiert werden, soweit sie Teil einer Erfindung ist (sog. «computerimplementierte Erfindung»). Jede und jeder weiss, dass unsere Zukunft digital ist und dass wirtschaftliche Innovationen im Wesentlichen auf IT-Programmen und -Algorithmen beruhen. Kommt hinzu, dass im Rahmen der OECD Diskussionen über neue Spielregeln für die Besteuerung digitaler Erträge angelaufen sind, die das Patentbox-Modell in diesem Bereich mittelfristig infrage stellen dürften. Mit der Patentbox hat das Parlament eine echte Büchse der Pandora gepostet – mit unabsehbaren steuerlichen Folgen und ungewisser internationaler Zukunft.
Wie der Steuerrechtsexperte Bernard Dafflon in einem sehr lesenswerten Interview anlässlich der USR III festgestellt hat, widerspricht es dem Geist der Steuergesetzgebung, Gewinne aus Patenten anders zu behandeln als sonstige Gewinne. Wenn schon, so Dafflon, müssten die eingesparten Gelder in einen Reservefonds für Forschung und Entwicklung eingelegt werden – was die STAF nicht vorsieht.
F&E-Förderung mit Mitnahmeeffekten
Schwer verständlich ist, warum die STAF zusätzlich zu der sehr grosszügig ausgestalteten Patentbox noch eine Input-Förderung für Forschung und Entwicklung (F&E) vorsieht. Noch im September 2014 schrieb der Bundesrat im Vernehmlassungsbericht zur USR III zurecht: «Eine zusätzliche Entlastung über den Aufwand ist aus Standortsicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht nötig.» (S. 28) In der Tat haben sich die F&E-Aufwendungen der Privatunternehmen in den letzten Jahren auch ohne Steuerkrücken höchst erfreulich entwickelt. Mit 2.4% des BIP lagen sie 2015 weltweit auf Platz 4 hinter Israel, Südkorea und Japan. Gegenüber dem Jahr 2000 (7’888 Mio CHF) haben sie sich bis 2015 auf 15’660 Mio CHF verdoppelt.
Patentbox und Inputförderung bringen nix für start-ups und wenig für KMU
Die Inputförderung über eine Gewinnreduktion ist nicht nur steuerpolitisch fragwürdig, sie begünstigt auch klar die Platzhirsche. Von erhöhten Abzügen profitieren kann nur ein Unternehmen, das Gewinne schreibt – und das ist bei start-ups und Newcomern gerade nicht der Fall. Auch KMU dürften praktisch kaum von der Patentbox und dem höheren E&E-Abzug profitieren – und wenn sie davon Gebrauch machen, «steigt der administrative Aufwand», wie der Bundesrat selber zugeben muss (Botschaft S. 2630).
Massgeschneidert für Statusgesellschaften und Multis
Patentbox wie Forschungsabzug sind klar auf die steuerprivilegierten Statusgesellschaften zugeschnitten, auf die knapp die Hälfte des F&E-Aufwands entfällt. Wie alle Sonderabzüge bieten beide Massnahmen vielfältige Anreize für eine kreative Gestaltung der Steuerbilanz. Nutzen können und werden sie primär internationale Grosskonzerne mit ihrer Armada findiger Steueranwälte und Beratungsfirmen. Stichworte sind etwa: Bewertung der Patente, umfassender Einbezug IT-basierter Innovationen in die Patentbox, auf Steueroptimierung ausgerichtete Verteilung und buchhalterische Zuweisung von Konzernaktivitäten etc.etc. Es ist damit zu rechnen, dass die Konzerne alles daran setzen werden, die maximal mögliche Gewinnsteuerentlastung von 70 Prozent auszureizen.
Steuerbehörden am kürzeren Hebel
Gegenüber der geballten Konzernmacht sitzen die Steuerbehörden bei solchen Abgrenzungs-, Bewertungs- und Auslegungsfragen regelmässig am kürzeren Hebel. Ein schlagendes Beispiel ist der internationale Beratungskonzern Accenture, der 2010 beim Wegzug von Schaffhausen nach Irland den Wert seiner Patente in der Schweiz mit 1.2 Milliarden Dollar deklarierte, in Irland dann aber 7 Milliarden Dollar Verkehrswert geltend machte. Aufgedeckt wurde dieser Steuerbschiss nur zufällig 2014 dank dem Datenleck LuxLeaks. In der Folge konnte die Abteilung Strafsachen und Untersuchungen der Eidg. Steuerverwaltung über einen Vergleich rund 200 Millionen Franken Nachsteuern kassieren (Tagesanzeiger 25. Februar 2019)
Anlockprämie für Offshore-Gelder
Wenig Beachtung hat in der Diskussion die Möglichkeit für Firmen gefunden, beim Zuzug in die Schweiz mitgebrachte stille Reserven steuerfrei offenzulegen. Anschliessend können sie diese schrittweise abschreiben und damit ihren steuerbaren Gewinn und ihre Gewinnsteuer reduzieren – genau dem Motto: «Tief raus, hoch rein», wie es Accenture 2010 praktiziert hat. Worum es dabei geht, erklärt der Bundesrat unverblümt in seiner Botschaft: «Künftig könnte daraus (…) eine erhöhte Standortattraktivität resultieren, wenn Gesellschaften oder Funktionen aus Offshore-Standorten mit – aufgrund der internationalen Entwicklung – gesunkener Standortattraktivität in die Schweiz wandern.» Zuzüge aus anderen Ländern stuft der Bundesrat dagegen als weniger attraktiv ein, «da der Aufdeckung typischerweise eine entsprechende Wegzugsbesteuerung im Herkunftsland gegenübersteht.» (18.031, S. 2613) Im Klartext: es handelt sich primär um eine Anlockprämie für bisher in Offshore-Finanzzentren auf der Schwarzen Liste der OECD steuerfrei gehortete Reserven, die regularisiert werden müssen, oder für Reserven von Konzerntöchtern in Drittweltländern, die nicht über die administrativen Ressourcen verfügen, um unversteuerte Gewinne beim Wegzug zu besteuern, oder kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz haben, das eine solche Besteuerung vorsieht (wie viele afrikanische Staaten, etwa Kongo oder Nigeria). Wie der oben erwähnte Fall Accenture zeigt, können auch innereuropäische Umzüge für Konzerne steuerlich attraktiv sein, wenn es ihnen gelingt, ihre Wegzugsbesteuerung nach unten zu frisieren…
(Fortsetzung folgt)
NZZ am Sonntag 29. Januar 2017, Interview mit Bernard Dafflon:
http://bit.ly/2YblrAN
Bundesamt für Statistik: Forschung und Entwicklung der Privatunternehmen 2015 (12.1.2017)
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/erhebungen/fe-priv.html