Für die Guten gibt’s die Integrationsagenda, deren Inkraftsetzung Sommarugas Nachfolgerin Karin Keller-Sutter am 10. April feierlich bekanntmachen durfte. Es ist ein Ablasshandel. Weil die Kantone bereit waren, die ungeliebten Bundeszentren bereitzustellen, erhalten sie ab 1. Mai 2019 für jeden mindestens vorläufig in der Schweiz aufgenommenen Geflüchteten 18‘000 statt wie bisher 6‘000 Franken.
Wie das mit der dank Bundesgeld nun möglichen beschleunigten Integration im Kanton Zürich in der Praxis läuft, dokumentiert der Verein map-f. Die Monitoring- und Anlaufstelle für vorläufig aufgenommene Personen ist nach der traumatischen Abstimmung über den Rauswurf dieser Menschen aus der Sozialhilfe gegründet worden. Map-f hat Anfang April den zweiten Bericht zur Situation der vorläufig aufgenommenen Kinder und Jugendlichen im Kanton Zürich publiziert.
Die Lektüre lohnt sich. Sie zeigt, wie Gemeinden die Kinder und Jugendlichen mit der Zuweisung ihrer Familien in Kollektivunterkünfte unter Stress setzen, die Finanzierung von Kitas verweigern, nur noch die billigsten Bildungsangebote bewilligen und den Grundbedarf so tief ansetzen, dass eine Teilnahme am Leben der Altersgenoss/-innen massiv eingeschränkt ist. Für Abhilfe sorgen könnten nur Vorgaben des Kantons an die Gemeinden. Dafür wäre Mario Fehr zuständig.
Direkt in der Verantwortung steht Mario Fehr bei der Betreuung von Minderjährigen, die ohne Familie in die Schweiz geflüchtet sind. Er teilt diese mit Martin Waser und Raphael Golta, dem Verwaltungsratspräsidenten der Asylorganisation der Stadt Zürich und dem für die AOZ zuständigen Stadtrat. Die AOZ ist seit Jahren für Unterbringung und Betreuung der „unbegleiteten Minderjährigen“ zuständig. Auch für diese MNA gibt es ab dem 1. Mai 2019 mehr Geld vom Bund (85 statt 50 Franken). Seit dem 1. März 2019 gibt es aber auch einen neuen Leistungsauftrag von Mario Fehr, den die AOZ in einer Submission gewonnen hat.
Die AOZ war die einzige Organisation, die ein Angebot unterbreitet hat. Man wollten den Auftrag unbedingt ergattern. Deshalb hat man den Preis tief gehalten. Das hat Folgen, wie map-f in ihrem Bericht erläutert. Der Betreuungsschlüssel ist viel tiefer als in anderen Jugendheimen. Nicht als Flüchtling anerkannte Jugendliche erhalten auf Geheiss des kantonalen Sozialamts auch kein Kleidergeld mehr (25 bis 30 Franken pro Monat). Man will das mit Kleiderspenden kompensieren. Und die Integrationspauschale (11.70 pro Tag) wird für vorläufig aufgenommenen Jugendlichen nicht an die AOZ ausbezahlt.
Von Sommarugas grossem Versprechen, mit dem restriktiven neuen Asylgesetz würden die als „gut“ bewerteten Flüchtlinge auch gut behandelt, ist im Kanton Zürich nicht viel zu spüren. Die Verantwortung dafür schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig zu. Deshalb muss gehandelt werden. Ob der neue Kantonsrat dazu bereit ist, wird sich weisen. Bleibt der Gemeinderat, der die Oberaufsicht über die AOZ hat. Wenn – wie map-F richtig schreibt – Kinderrechte verletzt werden, sollte es dafür eine Mehrheit geben.
Walter Angst, Gemeinderat AL