Die Initiative wurde eingereicht um eine 100 Prozent gemeinnützige Überbauung sicherzustellen. Denn der Stadtrat hat mit den SBB ausgehandelt, dass nur ein Drittel der Wohnungen gemeinnützig sein soll. Der Druck der Noigass-Initiative zeigte Wirkung: Stadtrat und SBB wollen den Initiantinnen und Initianten offenbar ein Schrittchen entgegenkommen. Mit dem Angebot, zusätzlich ein Drittel der Wohnungen auf dem Neugasse-Areal zu „preislich limitierten Mieten“ anzubieten, bewegen sich die SBB in die richtige Richtung, aus Sicht der AL aber zu wenig weit.
Die SBB, die zweitgrösste Immobiliengigantin im Land
Die SBB gehören der Eidgenossenschaft, also uns allen. Ihre Areale wurden vor 150 Jahren teilweise enteignet oder für geringes Geld erworben. Auch das SBB Areal an der Neugasse wurde grössten Teils via „Enteignung“ erworben. Aus den Grundbüchern, Katasterplänen und Akten der Nordostbahngesellschaft (NOB) und der SBB im SBB-Archiv lässt sich der Landerwerb im heutigen Areal Neugasse rekonstruieren. Die grösste Parzelle „kauften“ die SBB von der Stadt Zürich, die im Ersten Weltkrieg zwischen Röntgenstrasse und Viadukt viel Land aufgekauft hatte, die Quartierstrassen baute, Bauparzellen an Baugenossenschaften abgab und die Josefwiese als Park anlegte. Beim Kauf der Parzelle von der Stadt Zürich 1925 leiteten die SBB das Enteignungsverfahren ein, weil sie den von der Stadt verlangten Preis nicht bezahlen und nicht das ganze Grundstück kaufen wollten. Seit 1925 hat sich viel verändert. Mit 93,9 Millionen Quadratmetern sind die SBB mittlerweile die zweitgrösste Landbesitzerin nach der Armasuisse mit 240 Millionen Quadratmetern. Der Hauptteil entfällt mit dem Bahnnetz auf die Division Infrastruktur. Die Division SBB Immobilien hält 67 Anlageobjekte, weitere 28 sind geplant oder im Bau. Sie bewirtschafet Bahnhöfe und Bahnproduktion, zu der Serviceanlagen, Industriewerke oder Bürogebäude zählen, und verwaltet rund 3500 Gebäude, davon 793 Bahnhöfe. Das ganze Portfolio umfasst etwa 3800 Grundstücke mit einer Fläche von 13,1 Millionen Quadratmetern. Von 2007 bis 2017 haben sich die Investitionen von SBB Immobilien annähernd vervierfacht, auf 652 Millionen Franken, künftig rechnet man jährlich mit 500 Millionen Franken.
SBB Immobilien richtet in Zürich Schaden an
Die seit Ende der Neunzigerjahre auf Spekulationsgewinne ausgerichtete Immobilienpolitik der SBB hat in Zürich Schaden angerichtet. Beim Hauptbahnhof, in Altstetten und in Oerlikon sind gesichtslose und überteuerte Büro und Wohnflächen realisiert und geplant worden. In der SBB-Überbauung Letzibach C an der Hohlsrasse kosten 1½ Zimmer 1785 Franken monatlich, 3½ Zimmer 2760 bis 3270 Franken und 4½ Zimmer 3255 bis 3690 Franken. In der Überbauung Westlink am Bahnhof Altstetten kosten 1½ Zimmer 2080 bis 2610 Franken, 2½ Zimmer sind für 2145 bis 4220 Franken zu haben, 3½ Zimmer kosten 3460 und 4430 Franken. Das reicht.
Wiedergutmachung auf dem Noigass Areal!
Die AL fordert zusammen mit den Grünen, dass die preislimitierten Wohnungen in preisgünstige umgewandelt werden sollen. Die SBB rechnen bei den „preislich limitierten Mieten“ mit 295.- /m2 und Jahr (24.5 CHF/m2 und Monat) und einer Nettomiete für 3 Zimmer von 1850.-. Die amtliche Mietpreis-Strukturerhebung von Statistik Stadt Zürich zeigt auf, dass bei nicht gemeinnützigen Vermietern die durchschnittliche Bestandesmiete im Kreis 5 bei 282 CHF/m2 und Jahr liegt. Von preislich limitiert kann also keine Rede sein. Bei der Strukturpreiserhebung werden die Bestandesmieten erhoben. Die Markt- resp. Angebotsmieten von Neuvermietungen erfasst z.B. Wüest und Partner, für Kreis 5 sind sie bei 350.-/m2.
Wir wollen und brauchen kein neues Instrument auf dem Wohnungsmarkt. Wir fordern Kostenmiete auf mindestens 60% des Areals oder den Verkauf eines Teils des Areals an die Stadt Zürich. Wenn die SBB zu keiner dieser beiden Optionen bereit sind, müssen sie damit rechnen, dass ihr die Zustimmung zur erforderlichen Umzonung des Areals entweder im Gemeinderat oder an der Urne verweigert wird.
Natürlich werden die SBB eine Drohkulisse aufbauen: nicht mehr als je ein Drittel gemeinnützige Wohnungen und ein Drittel preislich limitiertes Wohnen, kein Verkauf, notfalls für 15 Jahre eine Brache. Wir sollten uns davon nicht über Gebühr beeindrucken lassen. Zur Mitfinanzierung der Infrastruktur und zur Sanierung der Pensionskasse muss die SBB-Division Immobilien regelmässig Cash generieren. Eine Brache wirft keinen Ertrag ab, eine gemeinnützige Überbauung oder ein Verkauf dagegen schon, auch wenn dabei nicht die Maximalrendite herausschaut.