Seit bald 20 Jahren weiss die Schweiz: weder EU noch OECD sind bereit, die Steuerschlupflöcher, welche die Kantone internationalen Konzernen offerieren, weiter zu tolerieren. Die Zeit für Holdings, «gemischte Gesellschaften» und Briefkastenfirmen, in denen Multis unversteuerte Auslandgewinne sowie Lizenz- und Patenterträge praktisch steuerfrei bunkern können, ist definitiv abgelaufen.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Statt endlich reinen Tisch zu machen, versuchte die Unternehmenssteuerreform III (USR III) die verpönten alten Steuerschlupflöcher durch neue zu ersetzen – und ist im Februar 2017 an der Urne krachend gescheitert. Die STAF 17 (Steuerreform und AHV-Finanzierung), über die wir am 19. Mai abstimmen, ist im Kern eine Neuauflage der USR III. Wieder sind eine «Patentbox», dank der Patenterträge weitgehend steuerfrei bleiben, und ein 150-Prozent-Abzug für Forschung und Entwicklung vorgesehen. Mit einem Mini-Zugeständnis: Grosskonzerne erhalten «nur noch» maximal 70 statt 80 Prozent Steuerrabatt auf ihren Gewinnen. Damit bleibt die Schweiz ein Gewinnsteuer-Reservat für Multis. Zwar müssen Grossaktionäre beim Bund ihre Dividenden künftig zu 70 statt 60 Prozent versteuern, ihre Steuerprivilegien in den Kantonen werden jedoch nicht angetastet: sie müssen weiterhin nur mindestens die Hälfte der ausgeschütteten Profite versteuern.
Weder gerecht noch nachhaltig
Mit ihrem «Weiter so» hält die STAF 17 an der fatalen Rolle der Schweiz als Schrittmacher im internationalen Firmensteuer-Dumping fest. Nach aussen entzieht die Schweiz ihren Nachbarn, vor allem aber Schwellen- und Drittweltländern, vor Ort erarbeitetes und dringend benötigtes Steuersubstrat. Diese Strategie befördert nicht nur weltweit die Ungleichheit, angesichts internationaler Entwicklungen – Offenlegung von Steuer-Rulings, Gewinnsteuer-Reporting nach Ländern – ist sie auch alles andere als nachhaltig.
Doping-Milliarde befeuert interkantonales Steuer-Dumping
Wie bei der USR III sollen die Kantone auch jetzt einen grösseren Teil der von ihnen veranlagten Bundessteuern – 21.2 statt heute 17 Prozent – behalten können. Mit dieser zusätzlichen Milliarde aus der Bundeskasse pusht die STAF 17 die Kantone, ihre Firmensteuersätze drastisch zu senken. Die Zeche für die Milliardenausfälle bezahlen wir alle – über höhere Steuern oder Leistungsabbau bei der Bildung, teurere Krippen, weniger Krankenkassen-Verbilligung etc. Davon sind die Ärmsten, alleinerziehende Frauen und Familien am meisten betroffen.
AHV-Gutzli macht Deal nicht schmackhaft
Um den unappetitlichen Steuerdeal geniessbar zu machen, hat das Parlament ein AHV-Gutzli dazugepackt (höhere Lohnprozente, leicht höherer Bundesbeitrag). Diese an sich willkommene Übergangsfinanzierung reicht bloss für vier bis fünf Jahre, vermag die von bürgerlicher Seite ultimativ geforderte Rentenalter-Erhöhung nicht dauerhaft zu bannen und bringt auch keine Verbesserung der Renten.
Abwärtsspirale stoppen!
Eines ist sicher: einmal gesenkte Firmensteuern können praktisch nie mehr angehoben werden, auch wenn es finanziell eng wird. Die mit der STAF 17 eingeleitete ruinöse Abwärtsspirale müssen wir mit aller Kraft stoppen – am 19. Mai im Bund, am 1. September im Kanton!
Niklaus Scherr
Aus: AL-Info 2019/3