(ns) Zum Einstieg stellte AL-Kantonsratskandidat Michael Schmid, der den Anlass moderierte, ein paar grundsätzliche Überlegungen zur Steuergerechtigkeit an. Artikel 127 der Bundesverfassung verlangt zwar eine Besteuerung auf Grundlage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, lasse aber offen, im welchem Umfang Privatpersonen und Firmen zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen sollen.
Den Reigen der Kritiker eröffnete Urs Stauffer, Steuerverwalter von Biel, der mit Erfolg gegen die Unternehmenssteuerreform (USR) III und die im November 2018 im Kanton Bern bachabgeschickte Unternehmenssteuerreform angetreten ist. Aus seiner Sicht war das wuchtige Nein des Volks zur USR III vor zwei Jahren ein klarer Auftrag zu einer grundlegenden Kurskorrektur, weg von neuen Steuerprivilegien für die Firmen. Bei der Neuauflage hätten es Bundesrat und Parlament jedoch bei kosmetischen Retuschen belassen. Die alten, wenigstens mehrheitlich transparenten Privilegien werden durch unscharf definierte neue ersetzt. Mit dem neutral-technischen Titeln «Steuervorlage 17» und «STAF» versuche man zudem, den Bezug zum Thema Unternehmensbesteuerung zu vermeiden. Erfolg hatten die Gegner im Kanton Bern mit ihrer «Finanzloch»-Plakatkampagne, mit der sie die Steuerausfälle der jeweiligen Gemeinde auf den Franken genau auswiesen.
Von links: Ruedi Elmer, Walter Angst, Michael Schmid, Urs Stauffer
Bank-Whistleblower Ruedi Elmer, der für die AL im Bezirk Bülach kandidiert, stellte die laufende Unternehmenssteuerreform in den internationalen Rahmen. Die Schweiz habe regelmässig versucht, internationale Regulierungen zu unterlaufen. Ausgerechnet 1997, als EU und OECD den ersten Katalog schädlicher Steuerpraktiken von Firmen aufstellten, gab die Schweiz mit der Unternehmenssteuerreform I landesweit grünes Licht für ein neues Firmensteuerprivileg, den «gemischten Gesellschaften», die ihre Auslandgewinne nur zu einem geringen Teil versteuern müssen. Als gelernter Buchprüfer betonte Elmer besonders die zahlreichen neuen Manipulationsmöglichkeiten in der – nicht öffentlichen – Steuerbilanz, die mit der Patentbox, dem Überabzug für Forschung und Entwicklung sowie dem Eigenfinanzierungsabzug eröffnet werden, und für deren komplizierte Prüfung die Steuerämter keine Kapazität haben. Die Botschaft des Bundesrats zur STAF kommt Elmer wie ein «Kochbuch» der grossen Revisionsgesellschaften und ihrer Auftraggeber, der globalen Konzerne, vor. Mit den neuen Steuerprivilegien läuft die Schweiz aus seiner Sicht Gefahr, bald wieder auf einer Schwarzen Liste zu landen.
Klartext redete die über Videotelefon zugeschaltete Ana Gomes, sozialistische EU-Abgeordnete aus Portugal und stellvertretende Vorsitzende des Sonderausschusses zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Bei den Firmensteuern gehe es nicht um technische, sondern um eminent politische Fragen. Wenn auch spät, bewege sich die EU grundsätzlich in die richtige Richtung. Steuerrechtliche Anomalien können heute – nicht zuletzt dank verschiedener Daten-Leaks – besser erkannt werden. Allerdings wird diese Entwicklung auf nationaler Ebene gebremst, wo die Konzerne starken Druck auf die Regierungen ausüben. Hier müsse die Bevölkerung einen ebenso starken Gegendruck leisten. Einen kräftigen Seitenhieb bekamen die Finanzplätze Schweiz (weil hier Steuerhinterziehung nicht als Straftatbestand gilt) und London als «mother of all tax havens» ab.
Ana Gomes über Skype dabei
Das Podium wurde ergänzt durch ein vor dem Anlass aufgenommenes Interview mit Marion Bethel, Mitglied des UNO-Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau. Bethel, Anwältin, engagierte Feministin und Poetin aus den Bahamas, zeigte auf, wie das internationale Steuer-Dumping zugunsten globaler Konzerne in doppelter Hinsicht die Frauen benachteiligt und diskriminiert. Einerseits wird durch die Gewinnverlagerung in Steueroasen und Tiefsteuerländer vor Ort erarbeitetes Steuersubstrat aus Entwicklungs- und Schwellenländern abgezogen. Anderseits führt ein aggressives Firmensteuer-Dumping in Tiefsteuerländern schnell zu Sparprogrammen und Ausgabenkürzungen. In beiden Fällen werden den öffentlichen Haushalten Mittel für die Gleichstellung der Frauen entzogen. Gespart wird vorab im Bildungs- und im Care-Bereich, wo Betreuungsaufgaben in den privaten, von Frauen getragenen Bereich abgeschoben werden.
Zum Schluss nahm AL-Regierungsratskandidat Walter Angst die kantonale Umsetzungsvorlage zur STAF 17, über die der Kantonsrat diese Woche debattiert, ins Visier. Im Unterschied zur USR III sollen die Gemeinden diesmal zwar Kompensationszahlungen erhalten, für die der Kanton das Gros seiner Zusatzeinnahmen aus der Bundessteuer aufwirft. Doch Angst stellte klar, dass diese Zückerli für die Gemeinden die Senkung der kantonalen Gewinnsteuern um ein Viertel nicht schmackhafter machen.