Der Antrag der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (KSSG) an den Kantonsrat war eine Zangengeburt. Der angestrebte Systemwechsel weg vom Stufenmodell und hin zum Prozent- bzw. Eigenanteilmodell ist eher technischer Natur und an sich unspektakulär. Doch die inhaltliche Ausgestaltung hatte es in sich. Denn der Regierungsrat legte der Kommission eine happige Abbauvorlage auf den Tisch. Vorgesehen war die Reduktion des Kantonsanteils um 10 Prozent und eine rigorose Einschränkung des Bezügerkreises.
Abbau gestoppt! Sozialziel bleibt
Das vor einer Woche vorgestellte Resultat ist aus Sicht der Alternativen Liste ein guter Kompromiss. Unser Kernanliegen, dass das Sozialziel, wonach mindestens 30 Prozent der Haushaltungen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Anspruch auf Prämienverbilligungen haben, wird umgesetzt. Zwar steht das Sozialziel nicht mehr im Gesetz, aber es ist der ausdrückliche Wille der Kommissions-Mehrheit, dass 30 Prozent der Bevölkerung einen Anspruch haben. Der nötige Parameter (d.h. die Referenzprämie) wurde im Gesetz dementsprechend angepasst. Die Reduktion des Kantonsanteils von 80 auf 70 Prozent des Bundesbeitrages ist somit weg vom Tisch.
Mittelfristig funktioniert dies aber nur, wenn die für die Prämienverbilligung zur Verfügung stehenden Gelder nicht geschmälert werden. Denn im Kanton Zürich werden eigentümlicherweise aus dem Topf der Prämienverbilligungen auch Leistungen der Sozialhilfe und der Ergänzungsleistung (d.h. die Übernahme der Krankenkassenkosten) bezahlt. Infolge der steigenden Fallzahlen, namentlich bei den Ergänzungsleistungen, wurden immer mehr Gelder für die Prämienübernahmen verwendet. Trotz steigenden Krankenkassenprämien sanken die Prämienverbilligungen deshalb Jahr für Jahr.
Keine schleichende Aushöhlung
Kann der Kanton dieses Spiel beliebig weiterspielen, auch wenn er Bundesgelder für die Prämienübernahme einsetzt? Dies wollte die AL von Staatsrechtprofessor Thomas Gächter wissen. Sein Rechtsgutachten sagt Nein. Prämienübernahmen in der Sozialhilfe und Ergänzungsleistung sind eindeutig kantonale Aufgaben. Dieses Fazit ist brisant, weil die vom Kanton in den Prämienverbilligungstopf eingesetzten Mittel nur noch knapp oder nicht mehr ausreichen, um diese Ausgaben zu finanzieren.
Eine Mehrheit der vorberatenden Kommission des Kantonsrats hat entschieden, das Verdikt des Rechtsgutachtens Gächter ins Gesetz zu schreiben: Die Bundesgelder bleiben für die eigentliche Prämienverbilligung reserviert. Einer kontinuierlichen Aushöhlung des Prämienverbilligungssystems ist nun der Riegel geschoben. Auf der anderen Seite heisst dies, dass der Kanton zur Finanzierung der Prämienübernahmen seinen Anteil laufend anheben muss. Im 2020 wäre der Kantonsanteil bei 82 Prozent.
Kantonsanteil erhöhen
Mit diesen beiden von der AL vorgeschlagenen Massnahmen kann das in der Vergangenheit arg gebeutelte Prämienverbilligungssystem stabilisiert werden. Doch der Hang der bürgerlichen Finanzpolitik, Steuersenkungen mit Sparübungen beim Sozialen zu finanzieren, hat auch in der Prämienverbilligung ihre Spuren hinterlassen: Im 2012 wurde der Kantonsanteil von 100 auf 80 Prozent gekürzt. Der heutige Kantonsanteil reicht nur noch ganz knapp aus, um die vom Bundesgericht im Fall Luzern bestätigten Sozialziele zu gewährleisten.
Deshalb ist die AL der Überzeugung, dass der Kantonsanteil wieder auf 100 Prozent heraufgesetzt werden muss. Deshalb unterstützt die AL die Initiative der CVP, die dies einfordert, mit eigenen Sammelaktionen. Mit dem Verzicht auf die durch Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) vollmundig angekündigte Steuerfusssenkung um zwei Prozentpunkte könnten die Mehrkosten von 100 Millionen Franken kompensiert werden.
Kaspar Bütikofer, Kantonsrat AL
(“Meh Biss”-Kolumne im P.S. vom 15. Februar 2019)