Weshalb kandidierst du für die AL?
Ich war bereits 1990 in Zürich bei den Gemeinderatswahlen auf der Liste der AL. Die AL ist eine kritische Stimme von Links, das gefällt mir.
Wie bist du politisiert worden?
Ich bin in Küsnacht aufgewachsen, in einer mittelständischen Familie. Wir hatten eine Haushälterin, die auch viele Aufgaben in der Betreuung von uns Kindern übernommen hat. Als ich älter war, ertrug ich es nicht, dass sie bei Festen alleine in der Küche essen musste. Ich habe mich mit ihr solidarisiert und dann jeweils mit ihr gegessen. Damals ist mein Bewusstsein für Gleichberechtigung und gegen Ausgrenzung geschärft worden. Später habe ich die Schule für Soziale Arbeit gemacht und mich an vielen Aktionen für eine gerechtere und nachhaltigere Welt beteiligt. Anfangs der 70er Jahre beim Widerstand gegen die Atomkraft sind wir z.B. mit einem Planwagen durch Schweizer Dörfer gezogen und haben einen Dok-Film zu den negativen Auswirkungen der Atomkraft gezeigt.
Warst du bei den Grünen?
Nein. Es gab damals keine Partei in Zürich nach dem Modell der Rot-Grünen Alternative in Zug von Jo Lang. Ich habe etliche Vereinsarbeit geleistet, war in Gruppen aktiv. Ich habe lieber in der Bewegung gearbeitet, wollte Dinge verändern und auf die Beine stellen, statt mich der oft mühseligen und langsamen Parteiarbeit zu widmen.
Was hast du auf die Beine gestellt?
Beispielsweise 1976 in der Gruppe Luft und Lärm im Kreis 4. Die SBB mussten damals den engen und dunklen Langstrassentunnel erneuern, und sie planten nur einen Autotunnel, den die Fussgänger und Velofahrerinnen durch Lärm und Abgase hätten durchqueren müssen. Wir haben demonstriert, den Verkehr blockiert und dadurch erreicht, dass schliesslich die heutigen separaten Fussgängertunnel zu beiden Seiten gebaut wurden. Dann später, 1985 als Mitglied in der „Luftlobby Zürich“ habe ich an der Zürcher Smogzeitung mitgearbeitet. Aus dieser Zeit habe ich auch einen Fichen-Eintrag.
Die Ozonwerte waren damals (wie leider noch heute) sehr schlecht und ich habe als Hortleiterin im Seefeld den Verein „Eltern für gute Luft“ gegründet. Wir haben eine Petition eingereicht zur Einhaltung der Luftgrenzwerte. 1987 haben wir einen Schulstreik und eine grosse Ozon-Demo am Limmatquai organisiert. Später haben wir dafür den Umweltpreis der Stadt Zürich erhalten.
1988 habe ich die „Anwohnergruppe Mühlebachstrasse“ im Kreis 8 gegründet und wir haben die Einführung einer der ersten Tempo 30 Zonen in der Stadt erreicht. 1992 war ich eines der frühen Mitglieder von umverkehrR. Ich habe dann in der Kerngruppe während 9 Jahren von der Lancierung bis zur Abstimmung der Nationalen Volksinitiative für die Halbierung des motorisierten Strassenverkehrs gekämpft und dabei sehr viel gelernt.
Und wie warst du in deiner Wohngemeinde Küsnacht politisch aktiv?
Nachdem ich anfangs der Neunziger Jahre zurück nach Küsnacht gekommen bin, habe ich den Verein „Wohnliches Küsnacht“ mitgegründet. Denn in Küsnacht fehlte es damals an kulturellen und sozialen Treffpunkten und Anlässen, auch an Schulwegsicherung, ausserfamiliärer Kinderbetreuung und Tempo 30. Die „Chrottegrotte“ als Begegnungsraum für Alle gibt es noch heute, ebenso die KulturBar. Zwar ist das nicht mehr politisch, aber wohnlicher ist es dadurch schon ein bisschen geworden in Küsnacht.
Darauf war ich von 2002 bis 2010 in Küsnacht in der Sozialbehörde tätig, als Parteilose, aber mit Unterstützung von SP und Grünen.
Wieso nicht als AL Mitglied?
Im bürgerlichen Küsnacht hätte man damals als Vertreterin einer linksradikalen Partei keine Wahlchancen gehabt. Sogar die Unterstützung durch SP und Grüne wäre wohl nicht zustande gekommen. Wir haben deshalb das Netzwerk RotGrünPlus Küsnacht gegründet, um unsere Kräfte zu bündeln und im Dorf einen ernstzunehmenden politischen Platz zu haben. Ich bin sozusagen im Plus. Dieser Zusammenschluss besteht noch heute und ich wurde bei meiner Kandidatur für den Kantonsrat vor vier Jahren auch unterstützt. Das hilft, denn dadurch habe ich die Möglichkeit, auf einem Plakat im Dorf präsent zu sein. Jetzt natürlich als AL Mitglied.
Was waren die grossen Herausforderungen in Küsnacht während deiner Zeit als Mitglied der Sozialbehörde?
Die Professionalisierung und der Ausbau des Sozialdienstes waren mir sehr wichtig. Dass dies gelungen ist, sieht man daran, dass Unterstützungsbedürftige umfassend beraten und betreut werden und sich damit schneller integrieren und wenn möglich arbeiten können. Denn eine engere Beratung und Begleitung zahlt sich letztlich für alle aus.
Dann war mir auch der Übergang von der Vormundschaftsbehörde zur KESB wichtig, der ermöglicht, dass die Betroffenen in allen Gemeinden fachlich und unparteiisch behandelt werden.
In welchen Bewegungen warst du während dieser Zeit aktiv?
Während meiner Zeit in der Sozialbehörde habe ich mich als Behördenmitglied für die „Koordinationsgruppe Kleinkind“ eingesetzt. Dank der Zusammenarbeit der beiden Kirchen, der Schule und der Gemeinde resultierte daraus 2011 das Familienzentrum Küsnacht. Ein grosser Erfolg in Küsnacht, tagsüber gibt es Angebote für die Kleinen zur Entlastung der Eltern, es gibt Kurse und Veranstaltungen, abends können die Räumlichkeiten auch von Vereinen genutzt werden. Zeitgleich wurden in Küsnacht, Zollikon und Erlenbach die „Naturstrom-Initiativen“ eingereicht, die verlangten, dass die Einwohnerschaft erneuerbaren Strom als Basisstrom bekommt. Küsnacht hat meine Initiative erst als ungültig erklärt, vor dem Verwaltungsgericht habe ich aber Recht bekommen. Die Argumentation des Gemeinderats war, weil die Elektrizitätswerke ausgelagert waren, könne die Bevölkerung nicht mehr darüber entscheiden. Die Initiative wurde 2013 an der Gemeindeversammlung angenommen und heute ist es auch in Küsnacht normal, dass Basisstrom erneuerbar ist. Zudem finde ich es wichtig, dass auch bei ausgelagerten Organisationen die Einwohnerschaft mitreden kann und dies nun festgehalten ist.
Was war deine grösste Enttäuschung die du in all den Jahren des Aktivismus erlebt hast?
Die Einsicht, dass Fake-News unumkehrbar sind. In Küsnacht war ich während 8 Jahren in der Steuerungsgruppe Zentrumsplanung. Wir wollten, dass das mittlerweile 3. Projekt für ein Zentrum von Beginn an unter Einbezug der Bevölkerung geplant wird, es sollte nicht vom Gemeinderat aufgesetzt und durchgesetzt werden, sondern alle sollten sich beteiligen können. Es wurden mehrere Workshops durchgeführt und jeder Meilenstein des Projekts wurde denn auch von der Gemeindeversammlung genehmigt. So entstand ein gemeinsam entwickeltes Projekt, das zur einen Hälfte einen Platz, zur anderen Hälfte Gebäude mit öffentlichen Nutzungen, Gewerbe und Wohnungen vorsah. Als es dann letztlich um den 50 Millionen Kredit ging (und um ein spät eingebrachtes Projekt für ein Parkhaus), haben einige Anwohnende und Gewerbetreibende realisiert, dass die zweijährige Bauzeit auch ungemütlich werden könnte. Sie haben sich formiert und mit dem Slogan „Keine Steuererhöhung für Küsnacht“, das absolute Codewort um Mehrheiten zu gewinnen, das Projekt abgeschossen. Das Geld ist ausdrücklich ohne Steuererhöhung aus dem Vermögen zur Verfügung gestanden, aber wir haben es nicht mehr geschafft, diese Falschmeldung umzukehren. Das hat mich sehr enttäuscht, 10 Jahre so viel Herzblut und Engagement, Expertenarbeit und Investition einfach so dahin.
Und was ist aktuell das Thema in Küsnacht?
Wohnen im Alter ist gerade mein Thema. In Küsnacht gibt es drei Gemeindealtersheime. Das Pflegeheim am See will der Gemeinderat als Residenz „für die oberste Einkommensschicht“ erstellen. Das hat mich auf den Plan gerufen, das ist ein absolutes no go! Öffentliche Einrichtungen dürfen nicht für die reichsten der Reichen reserviert werden. Altersheime sollen im Besitz der Gemeinde bleiben und nicht privatisiert und danach von privaten Firmen mit Gewinn betrieben werden. Wohnraum muss auch für die alten Menschen finanzierbar bleiben, CHF 3500 für eine Alterswohnung können sich viele nicht leisten. Gleichzeitig wurden in Küsnacht die Heimleitungen abgeschafft. Ich bin mir einen Vorstoss am Überlegen, der es Küsnacht verbietet, Altersheime zu privatisieren und der gleichzeitig verlangt, dass Altersheime professionell geleitet werden und allen Bevölkerungsschichten zugänglich sind.
Interview: Dayana Mordasini
Aus: AL Info 1805
Veranstaltung mit Beatrice: Film Eldorado in Küsnacht