Aus allen Winkeln des Kantons reisen die Zürcher Kantonsrätinnen und Kantonsräte zur montagmorgendlichen Ratssitzung an. Sie strömen zwischen 8.00 und 8.15 Uhr ins Rathaus.
Die mittelalterlich winzige Garderobe für 180 Parlamentsmitglieder ist winters eng vor lauter Mänteln und erfordert emsiges Schlängeln zwischen den Reinund Rausgehenden. An der Treppe, die zum Ratssaal führt, begrüssen Polizeibeamte die Angereisten, die ihrerseits den Kantonsratsausweis vorstrecken mit einem Grusswort auf den Lippen. In der Eingangshalle angelangt, greifen viele in eine Kiste mit Äpfeln und eilen weiter zur Anwesenheitsliste, die zügig unterschrieben wird; einige streben zur Zeitungsauslage, die von Parteiblättchen der EDU und SVP, dem Völkischen (Weltwoche) bis zur WOZ reicht, und wieder andere betreten ohne Umschweife durch die schwere Eingangstür den grossen Saal – vorbei am Weibel, dessen Begrüssung sich im allgemeinen Raunen verliert. Die Ratspräsidentin eröffnet die Sitzung, die letzten Ankömmlinge nehmen in den engen Bankreihen ihren Sitzplatz ein, begleitet von der wuseligen Choreografie des Aufstehens und Platznehmens mit Händeschütteln und Kopfnicken.
Die Sitzverteilung ist gesetzt: Rechts im Saal sitzt die Ratslinke (54). Links im Saal die Bürgerlichen (90). Die Mitte (36) verteilt sich gegenüber dem „Bock“ mit Präsidentin und ihren Vizes, den Sekretär*innen sowie Protokollschreiber*innen. Wer die Zahlen aufmerksam studiert, kann sich das politische Klima vorstellen: Die Bürgerliche Mehrheit bestimmt. Die Linke ächzt mit Akzenten des Widerstands. Das macht mürbe.
Bitte mobilisiert Menschen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, auch kantonal zu wählen. Die starre Sitzverteilung muss sich ändern, damit ein realpolitisches Tauziehen überhaupt stattfinden kann.
Laura Huonker, AL-Kantonsrätin