Der grosse medizinische Fortschritt erlaubt es, zahlreiche Eingriffe ambulant durchzuführen. War früher ein mehrtägiger Spitalaufenthalt mit aufwendiger Operation nötig, kann heute die Behandlung mit minimal invasiven Mitteln vorgenommen werden. Patientinnen und Patientenkönnen noch am selben Tage nach Hause gehen.
Sinnvolle Lösung…
Diese moderne Behandlungsart ist grundsätzlich zu begrüssen: Sie ist schonender, patientenfreundlicher und auch günstiger als die traditionelle Chirurgie. Deshalb kommt die Strategie der kantonalen Gesundheitsdirektion «ambulant vor stationär» äusserst sympathisch daher. Doch warum braucht es diese Strategie? Eine schonendere, freundlichere und günstigere Medizin sollte sich doch von selbst durchsetzen?
…durch Fehlanreize torpediert
Das ist nicht der Fall: Das schweizerische Gesundheitswesen ist mit zahlreichen Fehlanreizen gespickt. Durch den Pseudowettbewerb unter den Zürcher Spitälern kommen weitere falsche Anreize und Versäumnisse hinzu. Obwohl ambulante Behandlungsmethoden wirtschaftlicher und zweckmässiger sind, haben weder die Spitäler noch die Krankenkassen ein echtes Interesse daran. Die Spitäler, weil ambulante Eingriffe oftmals die Kosten nicht decken, während stationäre Eingriffe lukrativ sind, insbesondere wenn es sich um zusatzversicherte Patientinnen und Patienten handelt. Die Krankenkassen sind aus einem anderen Grund desinteressiert: Bei stationären Behandlungen müssen sie bloss 45 Prozent der Kosten tragen, der Rest geht zulasten des Kantons; bei ambulanten Eingriffen bezahlen sie 100 Prozent. Will ein Versicherer tiefe Prämien anbieten, muss er stationäre Methoden favorisieren.
Monistische Gesundheitsfinanzierung
Trotzdem: eine Strategie «ambulant vor stationär» ist notwendig. Die Politik hat den Ball aufgegriffen und will den Fehlanreiz beseitigen. Die Lösung lautet: monistische Gesundheitsfinanzierung. Konkret wird verlangt, dass ambulante und stationäre Leistungen gleich finanziert, das heisst von Kassen und Kantonen gemeinsam getragen werden sollen. Damit kommen die Kantone ins Spiel – mit dem Kanton Zürich an vorderster Front. Sie sperren sich gegen eine einheitliche Finanzierung, weil sie die Kosten scheuen. Und sie wollen mehr Macht im Gesundheitswesen.
Billiger Spartrick des Kantons
Die Kantone gehen einen anderen Weg. Der Zürcher Regierungsrat brachte im Rahmen des Sparprogramms Lü16 eine Änderung des Spitalplanungs- und -finanzierungsgesetzes ein, mit der die ambulanten Behandlungen gefördert werden sollen. Das gegen die Stimmen der AL verabschiedete Gesetz sieht vor, dass die Gesundheitsdirektion Untersuchungen und Behandlungen bezeichnen kann, die ambulant durchgeführt werden müssen. Dass nun Gesundheitsbürokraten über die Methode der medizinischen Leistungen entscheiden, rückt das Gesundheitssystem bedenklich in die Nähe von Rationierungen und Kontingenten. Das Problem geht noch tiefer: Der Kanton beteiligt sich nur noch in begründeten Ausnahmefällen an stationären Eingriffen. Unterm Vorwand der Förderung von ambulanten Behandlungen realisiert er Einsparungen. Stolz rechnet Noch- Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP) vor, dass der Kanton 7 Millionen Franken pro Jahr sparen könne. Am Ende bedeutet das nichts anderes, als dass die Kosten auf die Krankenkassen bzw. auf die Prämienzahlenden verschoben werden.
Verwaltungsgericht Aargau kassiert Kostenabwälzung
Dass der billige Spartrick des Kantons Zürich unzulässig ist, stellte das Aargauer Verwaltungsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall fest. Es hat die Spitalverordnung des Kantons Aargau mit Entscheid vom 5. Dezember teilweise aufgehoben und kam zum Schluss, dass es einzig dem Bund obliege, stationäre Behandlungs- und Untersuchungsmethoden zu bezeichnen, deren Kosten nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Kanton und den Versicherern zu tragen seien. Den Kantonen stehe es nicht zu, ihre Kostenpflicht eigenständig einzuschränken. Eine Ausnahme bestehe einzig dort, wo die Kontrolle im Einzelfall ergibt, dass der Eingriff nicht den Kriterien der Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit entspricht. Fazit: «Ambulant vor stationär» ist sinnvoll, durchsetzen lässt sich dies aber nicht als Sparmassnahme zulasten der Kopfprämien, sondern einzig, indem die Fehlanreize konsequent beseitigt werden.
Kaspar Bütikofer, AL-Kantonsrat
Aus: AL-Info 19/02