Dringliche Interpellation von AL, SP und Grünen zum geplanten Abbruch des Brunauparks (GR 2019/9)
Die Mieterinnen und Mieter im Brunaupark haben dicke Vorweihnachtspost erhalten: Über die Medien hat die Pensionskasse der Credit Suisse (CS) Abrisspläne für rund dreihundert Wohnungen angekündigt, die in den 1980er – und 1990er-Jahren gebaut worden sind. Die Banker-PK will die mit der 2016 revidierten Bau- und Zonenordnung geschaffenen Ausnützungsreserven zu Geld machen. Die enormen Kosten des Projekts können nur finanziert werden, wenn die heute für den Mittelstand gerade noch erschwinglichen Wohnungen durch überteuerte Appartements ersetzt werden.
Vorgeschichte
Anfangs der 1970er-Jahre hat die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) im Giesshübel ein knapp 10 Hektaren grosses Areal von den Zürcher Ziegeleien übernommen. Etwas mehr als die Hälfte der Brache wurde für den Bau des höher gelegenen Verwaltungszentrums Uetlihof verwendet. Für die tiefere Parzelle sicherte der Stadtrat der SKA 1973 eine markante Aufzonung zu (fünf statt drei Geschosse). Vereinbart wurde, dass 50 Prozent der Fläche für Wohnzwecke genutzt wird.
Wegen des Drucks aus dem Gemeinderat wurde vertraglich festgehalten, dass die Mieten dieser Wohnungen während 30 Jahren nach den Regeln der genossenschaftlichen Kostenmiete festgelegt werden. Deshalb sind die für damalige Verhältnisse grosszügigen Wohnungen sehr günstig vermietet worden.
Bevor die für die erste Bauetappe (166 Wohnungen) auf den 31. März 2010 befristete Mietpreisbremse ausgelaufen war, wurde mit der Sanierung dieser Wohnungen begonnen. Im Dezember 2009 erhielten die ersten Mieter/-innen eine auf den 1. April 2010 terminierte Mietzinserhöhung, die es in sich hatte. Für eine 100 Quadratmeter grosse Wohnung sollte man brutto nicht mehr 1500 Franken, sondern 2400 Franken bezahlen.
Obwohl die Mietpreisbremse weggefallen war, konnten diese Erhöhungen mietrechtlich nicht durchgesetzt werden. Einige wenige Mieter/-innen nahmen ihre Rechte konsequent wahr und zahlen weiterhin sehr moderate Preise für ihre Wohnungen. Viele Mieter/-innen stimmten aber einem Kompromiss zu. Deshalb bezahlen heute die meisten Altmieter fast so viel, wie die CS 2010 haben wollte. Bei Neuvermietungen sind diese Preise allerdings überholt. Wincasa schreibt 4,5-Zimmer-Wohnungen für Bruttomieten von weit über 3000 Franken aus. Diese klar missbräuchlichen Mietzinse können runtergeholt werden, wenn die Neumieter den Anfangsmietzins anfechten.
Hochtrabende Pläne
Seit geraumer Zeit werden freie Wohnungen der ersten Bauetappe nur noch befristet vermietet – mit leicht tieferen, aber immer noch stolzen Preisen (2761 CHF für eine 107 m2 grosse 3,5-Zimmer-Wohnung). Grund für den Wechsel bei der Bewirtschaftung sind gemäss Verwaltung die Pläne für einen Abriss des Brunau-Komplexes. Im Sommer 2018 teilte Wincasa den Mietern mit, dass man im Zusammenhang mit der notwendigen Sanierung des Migros-Ladenzentrums auch einen Neubau prüfe.
Das ist allerdings reiner Euphemismus. Geplant ist nicht ein Neubau, sondern ein Klein-Manhattan hinter der Zürcher Allmend. Die von der CS-Pensionskasse Anfang 2017 bei vier Büros in Auftrag gegebenen Varianten-Studien gehen von Neubau-Geschossflächen von 111’800 Quadratmetern (Arealbonus), beziehungsweise 127’700 Quadratmetern (Gestaltungsplan) aus. Das Bauvolumen würde damit faktisch verdoppelt, die bauliche Dichte auf über 300 Prozent erhöht. Hübsche Illustrationen der Architekturbüros zeigen ein Tor zur Brunau mit bis zu 8 Hochhäusern.
So stellen sich Stücheli Architekten den künftigen Brunaupark vor:
Und so Meili & Peter (rechts am Bildrand der Uetlihof der CS):
Weitere Projektbilder am Schluss des Artikels
Diese Pläne sind explosiv. Deshalb ist auch der mit der Befristung der neu abgeschlossen Mietverträge (30. September 2020) signalisierte Zeithorizont für das Neubauprojekt total aus der Luft gegriffen. Warum die Eigentümerin mit diesem Vorgehen einen baldigen Abriss im Raum stellt, ist unklar. Ist es Provokation? Oder besteht die Absicht, die selbstbewussten Mieter/-innen – die den Plänen im Weg stehen könnten – zum Auszug zu bewegen?
Das erwähnte Schreiben der Wincasa vom Sommer 2018 an die Mieter/-innen gibt allerdings auch Anlass zu einem anderen, bösen Verdacht. Die Eigentümer erklären, sie stünden bei der Neuplanung des Brunauparks „in engem Austausch mit den städtischen Behörden“. Die Frage stellt sich, ob die von Verdichtungswünschen beseelten Stadtplaner im Amt für Städtebau der CS Signale gegeben haben, die die Idee eines beschleunigten Abbruchs der noch gar nicht in die Jahre gekommenen Brunau-Wohnungen befeuert haben?
Entscheiden werden die Stimmberechtigten
Das wäre allerdings mehr als töricht. In Planungsfragen haben die Stimmbürger/-innen das letzte Wort. Und in Zürich nehmen diese ihr Recht auch ernst. Ein Gestaltungsplan, wie ihn die CS-Pensionskasse anstrebt, müsste dem Gemeinderat vorgelegt werden. Und falls sie dank Arealbonus auf eine massiv höhere Ausnützung spekuliert, müsste sie nicht nur ein das Baukollegium gestalterisch überzeugendes Projekt vorlegen, sondern auch einen erheblichen Anteil der Wohnungen wieder nach den Prinzipien der genossenschaftlichen Kostenmiete bewirtschaften.
Dies hat eine Mehrheit des Gemeinderats im Rahmen der BZO-Debatte verlangt. Das sieht auch die zurzeit beim Kantonsrat liegende Ausführungsverordnung des Regierungsrats für die Realisierung von Mindestanteilen an preisgünstigen Wohnungen so vor. Die Neuerung geht auf die vor mehr als vier Jahren mit 58,4 Prozent Ja angenommene Änderung des kantonalen Planungs- und Baugesetzes zurück (www.hier-daheim.ch). Mit dieser Änderung haben die Gemeinden die Kompetenz erhalten, in der Bauordnung und bei Arealüberbauungen und Sondernutzungsplänen Mindestanteile an preisgünstigen Wohnungen zu verlangen, wenn Grundeigentümer in den Genuss einer Mehrausnützung kommen. Genau das will die CS im Brunaupark.
Gegen Blockaden
Darum kann man über das Projekt der Banker-PK nur den Kopf schütteln. Es ist für die Mieter/-innen ein Affront. Es ist politisch nicht durchsetzbar. Mit dem Abbruch von noch nicht einmal 40jährigen Bauten widerspricht es allen ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeitskriterien. Und es hat das Potential, in der Stadt Zürich jede vernünftige Diskussion über eine sozial verträgliche bauliche Verdichtung zu blockieren. Und das mitten in der Diskussion über einen kommunalen Richtplan, der für eine Reihe von Gebieten eine massive Verdichtung vorsieht.
Die Idee, den Brunau-Komplex abzureissen, muss so rasch als möglich vom Tisch – im Interesse der Mieter/-innen, des Quartiers, aber auch im Interesse der Stadt und des Kantons Zürich.
Walter Angst
Langversion des im “Forum der Parteien” im Tagblatt der Stadt Zürich vom 3. Januar 2019 erschienenen Textes
“Stoppt Abriss des Brunauparks” als PDF
Ergebnisse des Studienauftrags Brunaupark:
Modellbild Stücheli
Stücheli-Projekt im Stadtmodell
Projekt Meili & Peter: Übersichtsplan
Projekt Meili & Peter im Stadtmodell
Immobilienanlagen der CS-Pensionskasse
Die Pensionskasse der CS hält 7,3 Prozent als direkte und 4,3 Prozent als indirekte Immobilienanlagen mit einem Anlagevolumen von knapp 2 Milliarden Franken – mit steigender Tendenz.
Unter den direkten Immobilienanlagen ist der Brunaupark mit 165 Millionen Franken Verkehrswert das grösste Einzelinvestment. Dieser Wert würde sich mit dem neuen Projekt massiv erhöhen – Aufwertungsgewinne in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe sind zu erwarten.
CS-Pensionskasse: Eine Wiederholungstäterin
Neben dem Brunaupark rangiert die viel kleinere Siedlung „Zürich 50 am Park“ auf Rang 4 der direkten Immobilienanlagen der CS-PK (54,5 Mio). Mit den im Jahr 2000 erstellten 100 Wohnungen machte die CS 2014 Schlagzeilen. Weil die Angebotsmieten seit dem Erstbezug in die Höhe geschnellt waren, nahm man eine einfache Deckensanierung zum Vorwand, allen Mietern zu kündigen. Die Wohnungen werden heute 1000 Franken teuer vermietet als beim Erstbezug.