“Eine breite Koalition von politischen und gewerkschaftlichen Organisationen hat heute in Bern beschlossen, das Referendum gegen das neue Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) zu lancieren, das von den eidgenössischen Räten am 28. September 2018 angenommen wurde.
Die STAF-Vorlage stösst auf breite Ablehnung. Sowohl die grösste Gewerkschaft der Schweiz, die Unia, wie auch der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD), nehmen dagegen Stellung. Auf der politischen Ebene haben die Grünen, die Jungen Grünen, solidaritéS, die JungsozialistInnen (Juso) und Partei der Arbeit der Schweiz den gleichen Beschluss gefasst.
Steuerlich gesehen ist die STAF-Vorlage die Zwillingsschwester der Unternehmenssteuerreform III (USR III), welche in der Volksabstimmung am 12. Februar 2017 klar abgelehnt wurde. Die wenigen «Verbesserungen», die von ihren linken BefürworterInnen hervorgehoben werden, sind stark zu relativieren: Einkünfte aus Dividenden sind immer noch weitgehend steuerfrei, während Lohneinkünfte voll bis auf den letzten Rappen besteuert werden. Das Steuergeschenk der USR II, stille Reserven weitgehend steuerfrei und in Milliardenhöhe an die Aktionäre auszahlen zu können, wird kaum korrigiert.
Im Wesentlichen ersetzt die STAF-Vorlage lediglich die bisherigen Steuerprivilegien – deren Streichung wir begrüssen – durch neue Steuerschlupflöcher. Dank der Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer wird der kantonale Steuersenkungswettbewerb weiter befeuert, obwohl die Schweiz schon heute im internationalen Steuerdumping die Spitze hält. Sogar Donald Trump würde es nicht wagen, von solch tiefen Steuersätzen zu träumen!
Als Konsequenz würden wir neue Einsparungen, Abbau und Preiserhöhungen bei öffentlichen Dienstleitungen, bei den Kitas, in der Betagtenbetreuung, in der Bildung, beim öffentlichen Verkehr usw. erleben. STAF würde auch die Steuerlast der natürlichen Personen, insbesondere der Arbeitnehmenden erhöhen und die Ungleichheiten weiter verschärfen. Frauen sind die stark betroffen, da sie besonders häufig im Gesundheitssektor, Sozialbereich oder in der Kinderbetreuung arbeiten. Frauen leisten bereits heute einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit. Um die durch die Senkung der Unternehmenssteuern resultierenden Steuerausfälle kompensieren zu können, werden Kanton und Gemeinden die Steuern von Arbeitnehmer*innen und Pensionierten erhöhen müssen. Die Schweiz bliebe so auch weiterhin die Lokomotive der globalen Steuermeidung, welche den Ländern des Südens Steuersubstrat entzieht und die Armut von vielen Millionen Menschen zementiert.
Die STAF-Vorlage beinhaltet sicherlich einen positiven Punkt: die zusätzlichen 2 Milliarden Franken für die Finanzierung der AHV. Dies ist jedoch kein Ausgleich: die heutigen und zukünftigen RentnerInnen bekämen keinen Franken mehr an Rente! Darüber hinaus läge es weitgehend an ihnen, diesen «Ausgleich» zu finanzieren. Jean-Daniel Delley, Honorarprofessor für Staatsrecht, hat kürzlich geschrieben: «Es ist schwierig, in diesem Handel den sozialen Ausgleich auszumachen, der eine Antwort auf die Steuergeschenke an die Unternehmen darstellen sollte. Oder falls ein Ausgleich stattfindet, dann wird dieser nicht von den Unternehmen getragen.» (in Domaine public, 2. Juni 2018)
Wer meint, diese zusätzliche Finanzierung der AHV würde uns die Erhöhung des Rentenalters der Frauen ersparen, soll lieber an den Osterhasen glauben: Einmal die Steuerreform mit Milliardenentlastung für die Grosskonzerne am Trockenen, wird der nächste Versuch zur Erhöhung des Frauenrentenalters lanciert. Die bundesrätliche Vorlage zu diesem Thema (AHV 21), die am 28. Juni vorgestellt wurde, also nach dem STAF-Deal im Ständerat, enthält genau diese Massnahme. Kurzum, mit der STAF-Vorlage bringt den Grossunternehmen und den Aktionären Steuergeschenke in Milliardenhöhe, während die Arbeitnehmenden und die Pensionierten sich mit einem schönen Versprechen begnügen müssten, das bekanntlich nur jene verpflichtet, die es glauben…”
Für das Referendumsbündnis gegen STAF:
Balthasar Glättli, Grüne – Fraktionschef
Cora Antonioli, VPOD – Vizepräsidentin
Jean Burgermeister, solidaritéS – Kantonsrat Mitglied Ensemble à Gauche (GE)
Urs Stauffer, Steueramt der Stadt Biel
Dieses Referendum wird unterstützt von:
GRÜNE Schweiz, Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste (SSP/VPOD), solidaritéS, JUSO, Junge Grüne Schweiz, Communauté genevoise d’action syndicale (CGAS), Comité tessinois contre PF17, Alternative Liste Zürich, Partei der Arbeit der Schweiz (PST-PdA), ATTAC Schweiz , AVIVO, Syndicat interprofessionnel des travailleuses et des travailleurs (SIT), Cartel intersyndical du personnel de la fonction publique, Bewegung für den Sozialismus (MPS/BFS), Forum Alternativo (TI), Laliste (GE).
6. Oktober 2018
Mehr Infos:
Niklaus Scherr: USR III, STAF 17: Nein bleibt Nein.
Denknetz: Unternehmensbesteuerung und AHV-Finanzierung: Deal oder Falle?