Vorbemerkung: Niggi Scherr, der Verfasser dieses Blogs, ist ein Gegner des Stadionprojekts ENSEMBLE, über das wir am 25. November abstimmen, und verwahrt sich in aller Form gegen Versuche der ENSEMBLE-Befürworter, seine Kritik an der Pfusch-Initiative der SP für die JA-Propaganda zu instrumentalisieren.
Hochgesteckte Erwartungen
Bei der Ankündigung erweckte die SP den Eindruck, mit ihrer Initiative bekämen wir plus minus dasselbe wie beim Projekt «Ensemble», mit dem Unterschied, dass die Stadt das Stadion finanziert und es keine Hochhäuser gibt und dass gleich viel Wohnungen, dafür aber alle gemeinnützig und als Blockrandbauten, erstellt werden. Fakt ist jedoch: die SP-Initiative verlangt lediglich einen 130-Mio-Franken-Rahmenkredit für den Bau eines Fussballstadions. Ob und wieviel gemeinnützige Wohnungen erstellt werden, ist völlig offen. Auf dem Baufeld A dürften es nicht mehr sein als die 174 Wohnungen, welche die ABZ heute schon im Rahmen von «Ensemble» plant.
Weniger Wohnungen wegen Autobahnlärm
Umwelt- und baurechtlich problematisch für Wohnbauten ist dagegen das Areal C, auf dem die beiden CS-Türme geplant sind. Bei einer Blockrandbebauung mit 7 Geschossen sind mit dem Arealüberbauungs-Bonus rein rechnerisch maximal 46’000 m2 Bruttogeschossfläche möglich, was etwa 380 Wohnungen entspricht. Geht man von einem realistischen Wohnanteil von 80% aus, sind es noch 300, also etwa halb soviel wie in den CS-Türmen. Das Areal liegt jedoch unmittelbar neben der Abfahrtsrampe der Autobahn und ist massiven Lärmimmissionen ausgesetzt. Für den ganzen der Pfingstweidbrücke zugewandten Bereich gelten für Wohnbauten die strengen Planungswerte der Lärmschutzverordnung von 60 Dezibel. Damit dürfte sich die Zahl der baurechtlich möglichen Wohnungen weiter reduzieren; in den CS-Türmen sind aus diesem Grund in den ersten fünf Geschossen auch nur gewerbliche Nutzungen vorgesehen.
Unrealistische Abstimmungs-Wiederholung
Insgesamt verlangt die SP-Initiative also eine Wiederholung der Abstimmung von 2013, bei der ein von der Stadt finanzierter Stadionbau vom Stimmvolk abgelehnt worden ist. Dass es diesmal anders sein sollte, ist kaum zu erwarten. Sowohl das vollmundige Versprechen von ähnlich viel, dafür gemeinnützigen Wohnungen wie die Hoffnung auf einen Meinungsumschwung in Sachen Stadionbau darf man wohl in guten Treuen als unrealistisch taxieren.
Unredlich…
Die Stadion-Initiative ist aber auch in mehrfacher Hinsicht unredlich. Sie verlangt einen 130-Mio-Franken-Rahmenkredit für den Bau des Stadions, klammert aber die Landkosten (je nach Berechnung 37 – 44 Mio Franken) und die Kosten für die Altlastensanierung einfach aus. Die Bewilligung dieser beiden Ausgabenpositionen wird schlicht an den Stadtrat delegiert. Dem Stimmvolk wird damit vorgegaukelt, das Stadion sei diesmal für schlappe 130 Mio Franken zu haben, während 2013 – einschliesslich Kosten für Land, Altlastensanierung und 20%-Zuschlag für Berechnungsungenauigkeit – 225 Mio Franken vorgesehen waren. Der Billig-Jakob-Trick verfängt offenbar. So jubiliert etwa SP-10-Vorstandsmitglied Nicolas Siegrist auf Facebook über den «kleinen Unterschied» zur letzten Abstimmung: «das Stadion ist halb so teuer» (24.8.).
…und rechtlich fragwürdig
Das Vorgehen der SP ist auch rechtlich fragwürdig. Zwar können unter gewissen Umständen Ausgaben an die Exekutive übertragen werden. Allerdings verlangt § 2 der kantonalen Verordnung über den Gemeindehaushalt zwingend, dass bei einem Bauvorhaben sowohl die Kosten für die Erstellung wie für die Baulandbeschaffung respektive die Übertragung der Liegenschaft vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen in ein und demselben Kredit enthalten sein müssen. Mit dem Verbot des Kreditsplittings soll verhindert werden, dass die Stimmbevölkerung über das wirkliche Ausmass der Gesamtkosten getäuscht wird. Mit dem gewählten Vorgehen verstösst die Initiative nicht nur gegen gesetzliche Bestimmungen des Gemeinderechts, das Splitting könnte auch von einzelnen Stimmberechtigten wegen Verletzung des Stimmrechts angefochten werden.
«Wünsch-dir-was»-Paragraf
Im Übrigen fehlt es in der Initiative auch nicht an einem «Wünsch-dir-was»-Paragrafen. Laut Art. 3 stellt der Stadtrat sicher, «dass der Stadt Zürich aus dem Betrieb sowie aus dem Unterhalt des Stadions mit Ausnahme der Abschreibungen auf der Investition und der Kapitalverzinsung keine weiteren Kosten entstehen.» Das klingt super und total beruhigend, war doch 2013 ein städtischer Defizitdeckungsbeitrag von 8.3 Mio Franken pro Jahr vorgesehen. Ob es diesmal ohne geht, steht in den Sternen – ganz unabhängig davon, ob beide Zürcher Clubs es schaffen, sich in der Super League zu behaupten oder nicht.
Billiger Unterzug
Beim Jassen bezeichnet man ein solches Vorgehen als Unterzug, ein Bluff, mit dem man den Gegner austricksen will. Als Linke und aufgeklärte Konsument*innen sind wir es allerdings gewohnt, uns gegen Lockvogelangebote und versteckte Klauseln im Kleingedruckten zu wehren, mit denen man uns über den Tisch ziehen will.