Rede Seebrücke-Demo
Eine Stadt – ein Ausweis für alle!
Für Tausende von Menschen ist Zürich ein sehr prekäres Zuhause. In der Stadt Zürich leben geschätzt über 14‘000 Sans-Papiers, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Sie können oft ihre grundlegendsten Rechte nicht wahrnehmen, weil dies häufig mit dem Risiko einer Verhaftung und Ausschaffung verbunden ist. Sans-Papiers können keine Anzeige erstatten, wenn sie Opfer von Gewalt oder Ausbeutung werden, sie können sich nur unter hohen Risiken in Spitälern behandeln lassen, sie können kein Bankkonto eröffnen, keinen Handy- oder Mietvertrag abschliessen. Sans-Papiers leben also im Schatten unserer Gesellschaft, und dies, obwohl jede 30. Person in der Stadt Zürich papierlos ist. Sie sind Teil unserer Stadt, sie begegnen uns tagtäglich und trotzdem sind sie ausgeschlossen.
Recht auf Rechte
Wir wollen eine andere Stadt! Eine Stadt, in der alle Menschen unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus Zugang zum Recht und zum politischen, sozialen und kulturellen Leben haben!
Wir wollen unsere Gesellschaft neu definieren und über Zugehörigkeiten sprechen! Wir wollen eine Stadtbürger*innenschaft! Urban Citizenship – die Stadtbürger*innenschaft – definiert sich nicht über einen Pass, sondern über den Lebensmittelpunkt.
Wir sollten den Ort, an dem wir alle gemeinsam leben, auch alle gemeinsam mitgestalten können. Die Stadtbürger*innenschaft thematisiert das Recht auf Rechte und den Zugang zu öffentlichen Ressourcen für alle Menschen – dort wo sie leben. Wir setzen uns mit der Züri City Card für einen Aspekt der Urban Citizenship ein. Wir wollen einen Ausweis, der allen Bewohner*innen von Zürich zeigt, dass sie unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, zu dieser Stadt gehören.
Solidarische Stadt Zürich
Für ein funktionierendes Gemeinwesen ist es wichtig, dass die Stadtbewohner*innen keine Angst vor dem Kontakt mit den städtischen Behörden haben müssen. Um diesen Behördenkontakt herstellen zu können, fordern wir nun also eine Züri City Card, einen Zürcher Stadtausweis – als ein sichtbares Zeichen einer solidarischen Stadt.
Die Züri City Card soll allen Einwohner*innen der Stadt Zürich ungeachtet von Herkunft und Aufenthaltsstatus ausgestellt werden. Die Inhaberin einer Züri City Card soll sich damit als Bürgerin der Stadt Zürich ausweisen können. Aufenthaltsstatus und Nationalität einer Person sollen auf dem Stadtausweis nicht vermerkt werden – so, dass wir alle in erster Linie ZürcherInnen wären und erst an zweiter Stelle SchweizerInnen oder eben NichtschweizerInnen. Gegenüber Behörden und Privaten soll der Stadtausweis als Identitätsnachweis dienen. Die städtischen Behörden, also auch die Stadtpolizei, sollen auf die Prüfung des Aufenthaltsstatus verzichten.
Der Stadtausweis soll aber kein Ausweis für Illegalisierte sein. Sie soll ein Ausweis für alle sein. Die City Card soll auch vergünstigten Zugang zu Kulturinstitutionen, Sportangeboten, Bibliotheken usw. ermöglichen. So soll sichergestellt werden, dass die Identitätskarte für alle Stadtbewohner*innen attraktiv ist und die Karte kein Stigma für Illegalisierte wird.
Die Züri City Card wäre ein pragmatischer Weg den Alltag von papierlosen Menschen real auf kommunaler Ebene ein bisschen sicherer zu gestalten und die Durchsetzung von bestimmten Rechten zu ermöglichen.
Rebellische Städte
Dass die Idee eines Stadtausweises keine Utopie ist, sehen wir am Beispiel New Yorks. Anfang 2015 führte die Stadt New York mit der ID NYC eine Stadtbürger*innenschaft ein. Alle in New York lebenden Menschen können kostenlos einen städtischen Ausweis beantragen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Die städtische Verwaltung wollte mit der Einführung eines Stadtausweises „den Kontakt zwischen Behörden und Bevölkerung revolutionieren“ – wie sie sagt. Im März 2017 verkündete die Stadt, dass inzwischen 1 Million New YorkerInnen einen New Yorker Stadtausweis besitzen. Die kommunale Polizei und die städtische Verwaltung sind angewiesen, ausländerrechtliche Informationen nicht an die Bundesbehörden weiterzugeben, ausserdem arbeiten sie bei Ausschaffungen nicht mit der zuständigen Polizei zusammen. Sie bezeichnen sich als Sanctuary City, als sichere Zufluchtsstadt für Illegalisierte.
Als europäisches Beispiel möchte ich hier Palermo nennen. Der Bürgermeister von Palermo Leoluca Orlando kämpft für die Abschaffung des Aufenthaltstitels. In der Charta von Palermo wird betont, dass Bürger*innenrechte nicht mehr an Nationalitäten gebunden sind, sondern an den Wohnort. Orlando hat erklärt, dass alle Menschen, die nach Palermo kommen Bürger*innen von Palermo seien.
Die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau hat zu rebellischen Sanctuary Cities in Europa aufgerufen. Palermo, Barcelona, Madrid – sie alle bezeichnen sich als europäische Sanctuary Cities.
All diese Städte haben Gebrauch von ihrer Gemeindeautonomie gemacht und haben sich mutig gegen übergeordnete Gesetze eingesetzt. Sie haben alle die Hoffnung, dass europäische Kommunen die aktuelle Abschottung der EU aufzubrechen vermögen.
Der Philosoph Jacques Derrida ist überzeugt, dass sich in der Stadt eine Ethik der Gastfreundschaft entfaltet, die liberalisierend auf das Migrationsrecht einwirkt. Darum ist es wichtig zusammen mit Städten in Europa und weltweit ein Zeichen gegen die repressive Abschottungs-politik zu setzen. In der Schweiz haben die Städte schon immer Veränderungen angestossen – beispielsweise im Bereich der Alterspolitik, der Drogenpolitik oder der Wohnbaupolitik. Seit über 25 Jahren haben wir eine rot-grün regierte Stadt Zürich und ich glaube es ist an der Zeit endlich ein bisschen Mut zu zeigen.
Wir fordern mit der Petition „Eine Stadt – ein Ausweis für alle“ die Einführung einer Züri City Card. Ihr könnt die Petition heute bei uns oder auch online unterzeichnen. Damit Zürich endlich eine solidarische Stadt für alle ihre Bewohner*innen wird.