Die AL im Aufwind
Eine Konstante der Wahlen der letzten 10 Jahre in Stadt und Kanton Zürich ist der stetige Zuwachs der AL. In den Gemeinderatswahlen 2018 haben satte 1800 Wähler*innen mehr der AL ihre Stimme gegeben als noch 2014. Dass Grüne und SP ebenfalls stark zugelegt haben, ist ein Gegentrend zum weltweiten Rechtstrend, heisst aber natürlich nicht, dass dieser damit schon umgekehrt wäre. Jeder Trend schafft seinen Gegentrend und als Realist sehe ich den Rechtstrend noch deutlich im Vorteil. Der aussergewöhnliche Aufwärtstrend der AL liegt zweifelsohne auch an unserem originellen Politangebot, das sich für viele weder thematisch noch stilistisch in das klassische Links-Rechts-Schema einordnen lässt, auch wenn wir Aktivist*innen uns als linke Partei verstehen. Es muss uns gelingen, einen Teil dieser neuen Wähler*innen für die aktive Mitarbeit in der Bewegung zu gewinnen und damit auch unsere Strukturen in Partei und Parlamenten zu erneuern.
Radikal-pragmatisch im Gemeinderat
Nach dem Wegfall der CVP ist die AL im Gemeinderat ab Mai 2018 die kleinste Fraktion. Die 4 EVP-ler sind in der aktuellen Konstellation der Blöcke bedeutungslos. Die links-grüne Mehrheit von 69 Sitzen wird unser Politisieren im Parlament nicht einfacher machen. Die AL hat mit ihren im besten Sinne radikalen Positionen – solchen, die an die Wurzel gehen – häufig Fragen der bürgerlichen Seite aufgenommen und damit zu einer Schärfung der linken Antworten beigetragen. Wenn die Bürgerlichen zum Beispiel fragen, ob in den Genossenschaften die richtigen Leute wohnen, also diejenigen mit schwachem Einkommen, geht es ihnen natürlich gar nicht um diese Leute, sondern um die Profitrate der Immobilienfirmen, die möglichst viele Mieter*innen in ihren überteuerten Wohnungen möchten. Wir aber haben diese Frage aufgenommen und die Forderung von mindestens 20% subventionierten – also zusätzlich verbilligten – Wohnungen für Genossenschaften mit Baurechten der Stadt Zürich durchgesetzt.
Dieses Schema macht Sinn, denn es schafft Kontrolle und Korrektur einer allzu satten etablierten Linken. Wir werden diese Politik inhaltlich schärfen und weiterverfolgen. Der SP mit 43 Sitzen wird es allerdings in Zukunft einfacher gelingen, in wechselnden Koalitionen die radikalpragmatischen Positionen der AL parlamentarisch auszuhebeln. Gut, ist das Parlament nicht die einzige Bühne der politischen Auseinandersetzung. Der AL wird es guttun, mehr als je zuvor im Bündnis mit verschiedensten Partner*innen ausserhalb der etablierten Strukturen in Kämpfe um die Alltagsbedürfnisse der Menschen einzugreifen.
Der Kampf um die Herzen der Menschen
Dies gilt exemplarisch beim Kampf für die Rechte der Menschen, die vor Armut, Krieg und Unterdrückung zu uns geflüchtet sind. Die gesellschaftlichen Widersprüche des Kapitalismus sind in Genderfragen, in Arbeitskämpfen und in der Migration dieselben. Es geht immer um Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und das Ausspielen der Aktionsfelder gegeneinander führt die Linke in die Irre. Leider ist aber die kulturelle Vermittlung dieser Gemeinsamkeit – also der Kampf um die Herzen der Menschen – an vielen Orten gescheitert und die vom gesellschaftlichen Abstieg bedrohten Schichten wenden sich von der Linken ab und der extremen Rechten zu. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir im Kampf um die Rechte von Migrant*innen immer im Dreiklang bleiben: Fluchtursachen bekämpfen, Geflüchtete willkommen heissen und die soziale Bewegung aller Prekarisierten oder von Prekarisierung Bedrohten unterstützen.
Diesen Dreiklang können wir glaubwürdiger vertreten, wenn wir auch auf nationaler Ebene organisiert sind. Es ist bedauerlich, dass es die radikale Linke nicht geschafft hat, sich auch über den Röstigraben hinweg zusammenzuraufen. Für eine sinnhafte Teilnahme der AL an den Nationalratswahlen 2019 wäre es mehr als wünschenswert.
Die Schweiz ist nicht Zürich und umgekehrt
Eine Sammlungsbewegung der radikalen Linken von Zürich aus zu organisieren macht Sinn. Die Schweiz bewegt sich auf eine alles dominierende Wirtschaftsachse vom bassin lémanique bis Zürich zu. Der Rest droht komplett abgehängt zu werden. Eine linke Sammlungsbewegung ist die richtige Antwort auf die geografisch strukturierte Prekarisierung des Landes. Alles was nicht im Sog der Wirtschaftsmotoren Lausanne und Zürich und ihrer Agglomerationen mitläuft, wird abgehängt und deshalb muss von diesen Zentren aus der Widerstand gegen die immer krasser werdende Umverteilung des Reichtums nach oben organisiert werden.
In der Perspektive auf die Kantonsratswahlen 2019 haben die Fraktionen von Gemeinderat und Kantonsrat eine engere Zusammenarbeit beschlossen. Exemplarisch erarbeitet eine Gruppe aus beiden Fraktionen mit zahlreichen weiteren Aktivist*innen die neue Gesundheitspolitik der AL. Nicht das lokalfolkloristische Klammern an zwei Stadtspitäler ist dabei der politische Leitstern, sondern eine basisnahe und bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle im Kanton. Nicht Ausgliederungen und Teilprivatisierungen sind die Lösung, sondern enge Kooperation aller Akteure im Gesundheitsbereich, auf die wir überhaupt noch demokratisch Einfluss nehmen können. Wir dürfen auf die Resultate der Arbeitsgruppe gespannt sein. Adelante!