Wenn ich mein Umfeld nach dessen grösster Sorge frage, dann kommt das Thema der Gesundheitsversorgung schnell zur Sprache. Es werden Ängste genannt, die weniger mit dem direkten krankheitsbedingten Leiden als mit den indirekten finanziellen Konsequenzen eines Krankheitsausfalls zu tun haben. Diese Sorgen sind nicht unberechtigt, zeigt doch ein Blick in die Geschichte, dass auch in der Schweiz der Zugang zum Gesundheitssystem während langer Zeit übers Portemonnaie geregelt wurde. Der Aufbau des öffentlichen Gesundheitssystems und die Etablierung des Krankenkassenobligatoriums haben wesentlich zur Entschärfung dieses Problems beigetragen. Diese beiden Stützen garantieren, dass im Fall der Fälle die meisten von uns – unabhängig von unserer sozialen Situation – schnell und sicher Zugang zum medizinischen System finden.
Ende gut, alles gut?
Allerdings gibt es auch in unserem Gesundheitssystem Schattenseiten, die nicht verschwiegen werden dürfen. Eines der grössten Probleme besteht darin, dass wir es immer noch nicht schaffen, für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus – sogenannte Sans-Papiers (SP) – einen niederschwelligen Zugang ins Medizinsystem zu schaffen. Damit dürften in der Stadt Zürich ca. 15’000 Menschen von jeglicher ärztlichen und pflegerischen Versorgung ausgeschlossen sein. Und dies, obschon sich die Schweiz durch internationale Verträge und durch ihre Bundesverfassung verbindlich dazu verpflichtet hat, für die Gesundheit von uns allen – und damit auch jener der SP – zu sorgen.
Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass SP „wie alle anderen auch“ eine Krankenversicherung abschliessen sollten. Diese Position verkennt allerdings, dass SP beim Abschluss einer Krankenpolice in einer unüberwindbaren Zwickmühle stecken: Will man von der Krankenkasse aufgenommen werden, muss man Angaben machen, die den Aufenthaltsstatus gefährden könnten. Verschweigt man aber diese Informationen, so erhält man keinen Zugang zu einer Versorgung im Krankheits-, Unfall- oder Schwangerschaftsfall.
Alternativen sind gefragt
Es ist Aufgabe der Politik, Lösungsvorschläge zur Überwindung dieser unwürdigen Situation zu formulieren. Deshalb hat die Alternative Liste in Anlehnung an das bereits erfolgreich erprobte Genfer Modell CAMSCO (Consultations Ambulatoires Mobiles des Soins Commmunautaires) die Errichtung einer niederschwellig zugänglichen Anlaufstelle für SP vorgeschlagen. Die Idee dahinter ist simpel: Durch ein ausgeklügeltes multidisziplinäres Triagesystem können die Gesundheitsprobleme der SP abgestuft angegangen werden. Erfahrungen mit dem CAMSCO-Modell zeigen, dass sich die meisten Anliegen dieser Bevölkerungsgruppe bereits auf einer sehr basalen, ambulanten Versorgungsstufe lösen lassen. Nur in seltenen Fällen ist eine stationäre Behandlung notwendig.
Die Errichtung dieses Versorgungssystems hat für die Alternative Liste höchste Priorität, zumal die rechtsbürgerliche Mehrheit im Nationalrat gerade in diesen Tagen die medizinische Versorgung von SP ganz verunmöglichen möchte. Dieses Eisen muss geschmiedet werden, solange die soziale Kälte von rechts nicht Einzug hält.
Aus: Zuerich West 15. Februar 2018