Ruanda ist, soviel ich weiss, dein Heimatland. Was fällt Dir dazu ein?
Ein hybrides Gemisch zwischen gegenwärtiger Melancholie und Neuland. Es ist nicht diese Art von Melancholie, dass ich mich dorthin zurückwünsche oder das Bild von alten Zeiten in mir trage. Die Melancholie zeigt sich, wenn ich zurückkehre. Ruanda ist jedesmal Neuland für mich. Es ist nicht mehr so, wie ich mich erinnere. Die Gegenwärtigkeit bezieht sich auf mein Gefühl. Ich würde gerne für längere Zeit in Ruanda leben und weiss gleichzeitig, dass ich dort nicht lange „überlebensfähig“ wäre. Ich stecke sozusagen fest, wie sehr ich Ruanda noch als Heimat bezeichnen kann, oder einfach als meinen Geburtsort.
Dahinter steht eine Migrationsgeschichte?
Ich bin in Ruanda geboren und aufgewachsen.
Wir sind im Toni Areal der ZHdK. Was hat das mit dir zu tun?
Ich studiere im fünften Semester Kunst und Medien. Bachelor, mit der ehemaligen Vertiefung Theorie. In den letzten Jahren wurde das Angebot umstrukturiert. Früher gab es unterschiedliche Vertiefungen wie zum Beispiel Fotografie, bildende oder soziale Kunst, Medienkunst, Theorie. Heute ist das nicht mehr so. Heute gibt es Praxisfelder und Study-Gruppen. So ist alles durchmischter. Davor habe ich an der Uni Zürich studiert – zuerst Jura mit der Absicht, internationales Recht zu machen, anschliessend Philosophie mit Nebenfach Geschichte. Das Studium habe ich für einen Auslandaufenthalt unterbrochen. Nach meiner Rückkehr habe ich mich für Journalismus entschieden und mich deshalb an der ZHdK in Kunst und Medien eingeschrieben. Jetzt durchlaufe ich verschiedene Stadien der Identitätsfindung. Das wechselt zwischen Autorin, Kulturproduzentin und Aktivistin.
Wo beginnt dich etwas zu interessieren, wo siehst du Möglichkeiten für Mitgestaltung?
Ich studiere Kunst und Medien mit der Vertiefung Theorie aufgrund meines Interesses an queer-feministischen Studien. Ich habe einen grossen Wissensfundus vorgefunden, der vielfältig, aber auch eurozentristisch ist. Ich stellte mir Fragen. Wieso bewegen wir uns selbst an einer internationalen Hochschule wiederholt im gleichen Wissensfundus, dazu mit dem Anspruch, kritisch auch über europäische Komfortzonen hinauszugehen? Ich finde es schwierig, so etwas von Studierenden zu verlangen, wenn nichts davon in der Lehre einfliesst. Ich habe Nachforschungen angestellt. Wie gelange ich an nicht-eurozentristische Kulturpolitik, Literatur und Wissensbildung? So kam ich in Kontakt mit afrozentristisch-aktivistischer Literatur. Ich realisierte, dass es mir ein Anliegen ist, hier Texte mit Theorien und Denkansätzen um und für marginalisierte Gruppen, vor allem politisch marginalisierte Gruppen, zu verbreiten. Es gibt dafür ein Sprachrohr, aber es wird nicht gepflegt; es wird selten kontrovers diskutiert, aufgerüttelt. Es geht mir um Zürich. Diese Diskussion verläuft in Lausanne oder Genf ganz anders.
Warum hast du dich entschieden, für die AL zu kandidieren?
Die AL repräsentiert mit ihrer Kulturpolitik, ihrer Sprache und ihrem Bemühen um eine möglichst breite soziale Integration bisher die Partei, mit der ich mich am besten identifizieren kann – nachdem ich mich einmal entschieden habe, in offiziellen staatlich-politischen Strukturen aktiv zu werden. Ich bin, wie viele andere auch, durch Freunde und Diskussionen mit ihnen zur AL gekommen – durch Menschen, die im Sinne der AL stimmen oder bei der AL politisch aktiv sind.
Was erhoffst du dir auf diesem Weg?
Es wäre schön, wenn ein paar Menschen für mich stimmen. Ich freue mich auf das kommende Jahr. Ich bin bereit. Ich finde es schön, dass sich mit meiner Kandidatur Dinge konkretisieren. Ich muss sie in Worte fassen und sie entsprechend formulieren – etwa in Gesprächen wie diesem. Das finde ich gut.
Interview: Laura Huonker (aus AL-Info 17/05)