Anfang 2015 führte die Stadt New York mit der ID NYC eine StadtbürgerInnenschaft ein. Alle in New York lebenden Menschen können seither kostenlos eine ID NYC – einen städtischen Ausweis – beantragen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Somit seien alle in New York lebenden Menschen in erster Linie New YorkerInnen und erst an zweiter Stelle Amerikanerinnen oder eben NichtmerikanerInnen.
Die städtische Verwaltung will mit der Einführung der ID NYC «den Kontakt zwischen Behörden und Bevölkerung revolutionieren». Im März 2017 verkündete die Stadt, dass inzwischen 1 Million New YorkerInnen eine ID NYC besitzen. 77% der ausländischen KarteninhaberInnen hätten in einer Umfrage angegeben, dass sie dank der städtischen ID ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zu New York verspürten und sich sicherer fühlten.
City Card New York
Städtische Zufluchtsorte
Die städtische Polizei und alle anderen städtischen Stellen akzeptieren den Ausweis, ohne nach dem Aufenthaltsstatus zu fragen. Ausserdem profitieren ID-BesitzerInnen von kulturellen Angeboten und Vergünstigungen, somit ist die Karte für alle BewohnerInnen attraktiv.
New York bezeichnet sich als «Sanctuary City». Solche existieren in den USA und in Kanada bereits seit den 70-er Jahren. Sie deklarieren sich als sichere Städte für Sans-Papiers. In diesen Städten verzichten die Behörden bewusst auf eine Prüfung des Aufenthaltsstatus und arbeiten nicht mit den Migrationsbehörden zusammen – für Sans-Papiers stellt dies eine Aufenthaltssicherheit im städtischen Raum dar. Studien zeigen zudem, dass die Kriminalitätsrate in diesen Zufluchtsstädten tiefer ist als in anderen Städten.
Im Schatten der Gesellschaft
Auch in der Stadt Zürich leben geschätzte 14‘000 Sans-Papiers, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Diese Menschen können grundlegende Rechte oft nicht wahrnehmen, weil dies mit dem Risiko einer Verhaftung und Ausschaffung verbunden ist. Sans-Papiers können keine Anzeige erstatten, wenn sie Opfer von Gewalt oder Ausbeutung werden, sie können sich nur unter hohen Risiken in Spitälern behandeln lassen, sie können kein Bankkonto eröffnen, keinen Handyvertrag abschliessen und haben keinen Zugang zum Wohnungsmarkt oder zu Sozialversicherungen. Sans-Papiers leben also im Schatten unserer Gesellschaft, und dies, obwohl jede 30. Person in der Stadt Zürich papierlos ist. Sie sind Teil unserer Stadt und trotzdem ausgeschlossen.
Der Zürcher Stadtrat anerkennt in seiner Antwort auf eine schriftliche Anfrage die prekäre Situation von Sans-Papiers und sieht Handlungsbedarf: «Es geht hierbei um «das Recht auf Rechte» – Rechte, die erst durch einen Behördenkontakt tatsächlich wahrgenommen werden können». Und weiter: «Im Gegensatz zum Bund können die grossen Städte ihre Augen vor dieser Realität nicht verschliessen».
Züri City Card
Auch der Verein Züri City Card sieht Handlungsbedarf auf städtischer Ebene. Der Verein fordert die Einführung einer City Card für alle in Zürich lebenden Menschen. Da aber die Stadt Zürich in migrationsrechtlichen Fragen keine Kompetenzen besitzt, soll mit einem Zürcher Stadtausweis in erster Linie papierlosen Menschen der Kontakt zu den Behörden und der Zugang zu städtischen Leistungen ermöglicht werden.
Der Verein Züri City Card ist aus dem Projekt «Die ganze Welt in Zürich» hervorgegangen und arbeitet schon seit 2015 an der Umsetzung eines Stadtausweises. Die Sicherheit von Sans-Papiers hat oberste Priorität, darum soll nichts überstürzt werden. Wie in den USA gerade ersichtlich wird, besteht unter anderem die Gefahr, dass Daten von Sans-Papiers in die falschen Hände geraten können. New York begegnet dieser Gefahr beispielsweise damit, dass alle NYC ID-Daten in einer verschlüsselten Datenbank an einem separaten Ort gespeichert werden. Diese Daten dürfen ohne richterliche Anordnung nicht weitergegeben werden.
Projekt mit Supportkarte unterstützen!
Mit der neu lancierten Supportkarte (Preis: 20 Franken) will der Verein die Öffentlichkeit auf sein Projekt aufmerksam und die alltäglichen Probleme von Sans-Papiers sichtbarer machen. Ausserdem soll sie belegen, dass die Stadtzürcher Bevölkerung einen Stadtausweis für alle möchte.
Die Supportkarte kann auf der Webseite des Vereins unter https://www.zuericitycard.ch/shop bestellt werden. Mit dem gesammelten Geld will der Verein weitere Aktionen realisieren.
Stadt für alle
Der Verein Züri City Card ist überzeugt, dass ein Stadtausweis auch in Zürich möglich ist. Das Anliegen scheint in der Bevölkerung gut anzukommen und auch der Stadtrat steht der Idee positiv gegenüber.
Die Stadt Zürich wird von und mit uns allen gemeinsam gestaltet. New York City hat gezeigt, dass sie eine Stadt für alle ihre BewohnerInnen sein kann. Das muss Zürich auch können.
Aus: AL-Info 17/05