Solidarische, städtische Identität
Für Tausende von Menschen ist Zürich ein sehr prekäres Zuhause. In der Stadt Zürich leben geschätzt über 10‘000 Sans-Papiers, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Diese Menschen gehören zu den vulnerabelsten und marginalisiertesten Teilen der Gesellschaft. Sie können oft ihre grundlegendsten Rechte nicht wahrnehmen, weil dies häufig mit dem Risiko einer Verhaftung und Ausschaffung verbunden ist. Sans Papiers können, werden sie Opfer von Gewalt oder Ausbeutung, keine Anzeige erstatten, sie können sich nur unter hohen Risiken in Spitälern behandeln lassen, sie können kein Bankkonto eröffnen, keinen Vertrag mit einer Haftpflichtversicherung abschliessen und haben keinen Zugang zum Wohnungsmarkt.
Sans-Papiers leben also gezwungenermassen in der Unsichtbarkeit. Sie leben im Schatten unserer Gesellschaft. Sie haben kein Recht auf Rechte.
Städtische Zufluchtsorte
Mit dem Konzept der Urban Citizenship – also eine städtische BürgerInnenschaft – fordern wir rechtliche, politische, soziale und kulturelle Teilhabe und Mitbestimmung aller in Zürich lebenden Menschen. Das Prinzip ist einfach und eigentlich nichts als logisch: Alle Menschen, die in einem gemeinsamen Raum leben, sollen die gleichen Rechte haben.
Verschiedene Städte z.B. New York bezeichnen sich als Sanctuary Cities’ – Zufluchtsorte. In diesen Städten verzichten die Behörden bewusst auf eine Prüfung des Aufenthaltsstatus. In verschiedenen Zufluchtsorten wurden städtische Identitätskarten entwickelt. Mit dieser Identitätskarte werden Sans Papiers bei der Einforderung ihrer Rechte unterstützt. Denn es ist für ein funktionierendes Gemeinwesen wichtig, dass die StadtbewohnerInnen keine Angst vor dem Kontakt mit den städtischen Behörden haben müssen. Mit einer Zürcher City Card könnten illegalisierte Menschen ein Stück weit entkriminalisiert werden.
Wir sind Zürich
Die Idee der Urban Citizenship geht aber über dies hinaus. Es geht darum unsere Gesellschaft neu zu definieren. Wir alle gestalten diese Stadt mit. Wir alle sind Teil von Zürich. Wir sind Zürich. Wir – als StadtbewohnerInnen, als ZürcherInnen – können uns mit einer Art Gesellschaftsvertrag darauf einigen, dass unser Zusammenleben nicht vom jeweiligen Aufenthaltsstatus bestimmt werden soll. Alle hier lebenden Menschen gehören gleichermassen der Gesellschaft an. Eine Zürcher City Card soll zur Stärkung einer solidarischen städtischen Identität beitragen. Oder wie der Migrationsforscher Terkessidis sagt:
«Eine Gesellschaft der Vielfalt kann nur funktionieren, wenn viele Stimmen gehört werden und unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten».
Zürich, 3. Juni 2017
Ezgi Akyol, Aktivistin und Gemeinderätin AL Redetext als PDF