In der Stadt Bülach erhalten die bis jetzt auf Container und eine Arbeiterunterkunft verteilten Asylsuchenden nun in einen spartanischen Grossbau am äussersten Stadtrand. Damit setzte sich bei der Volksabstimmung vom 21. Mai die Zweckallianz aller Parteien gegen die Opposition von SVP und AL durch. Mit einem Ja-Anteil von 55,8 Prozent allerdings deutlich knapper, als aufgrund der Wähleranteile der zustimmenden Parteien (68,2 Prozent) zu erwarten war.
Es war bereits der dritte Anlauf für ein Asylzentrum in Bülach. Ein erster Antrag des Stadtrats wurde 2013 sistiert, um mögliche Veränderungen in der Bundesasylpolitik abzuwarten. Ein zweiter Antrag wurde 2015 nach kritischen Stimmen im Gemeinderat («zu teuer») zurückgezogen. Und weil sich der Stadtrat offenbar nur Widerstand von rechts, nicht auch Kritik aus menschenrechtlichen Gründen vorstellen kann, liess er in der Folge ein Projekt erarbeiten, das dürftiger nicht sein könnte. Selbst der Zürcher Unterländer kommentierte, dass «bei Lichte betrachtet ein Betrag von 7,7 Millionen Franken für einen auf 181 Personen ausgelegten Bau fast schon erschreckend günstig ist» (ZU, 13.5.17).
Zähneknirschende Ja-Sager
Und so sieht das Asylzentrum Müliweg neben der Kaserne aus, das nächstes Jahr gebaut und 2019 bezogen wird: Vier Geschosse entlang der Autobahn sowie ein Quertrakt mit Verwaltungsräumen und weiteren drei Asylgeschossen, alles umringt von einem 1,50 Meter hohen Maschendrahtzaun. 181 Betten in Zweier-, Dreier- und Viererzimmern, 22 winzige Küchen, in denen kein kleiner Tisch Platz findet, und insgesamt 8 «Aufenthaltsräume» von gerade mal 13 m2 Grösse – das ist ein halber m2 pro Person, wie ein Sprecher der Grünen im Gemeinderat vorrechnete. Ein Töggelikasten? Räume zum Spielen und Zusammensein? Nix.
SP und Grüne gaben den Segen. Zwar «zähneknirschend», wie das meist verwendete Wort im Zusammenhang mit dem Asylzentrum Müliweg lautete, doch nun müsse endlich eine definitive Lösung her. Gerade gegen das Definitive opponierte die SVP, weil es aus ihrer Sicht ein falsches Zeichen gegenüber Bern setzt. Die Bülacher Sparallianz der Mitte-Rechts-Parteien ihrerseits hielt sich im Abstimmungskampf vornehm zurück: Die Kosten-Nutzen-Rechnung und die Idee der zentralen Unterbringen seien passend. Punkt. Und der Stadtrat bemühte sich zu betonen, dass das vorliegende Projekt der einzig mögliche Ausweg aus dem heutigen „Gebastel“ sei: Günstiger als die Provisorien und einfacher zu verwalten.
Ein deutliches «Nein, so nicht!»
Die AL sah es anders. Ein Projekt, bei dem alles falsch ist (die Grösse, die Lage, die Ausstattung), gehört zurück an den Absender. Bülach kann das besser. Ein Nein wäre nicht der Auftrag zum energielosen Basteln, sondern zur Suche nach überzeugenden dezentralen Standorten. Kurzfristig aufwändiger wäre das schon. Längerfristig würde es sich menschlich und finanziell bezahlt machen, die asylsuchenden Menschen nicht ins Ghetto abzudrängen.
Weil die AL in Bülach keine formelle Ortspartei ist, waren die Mittel zwei Leserbriefe und die Präsenz an Diskussionsanlässen. Das «Nein, so nicht!» kam rüber und sorgte für Verunsicherung. Die Diskussionen waren ernsthaft und engagiert, gerade auch unter den vielen Freiwilligen, die in Bülach Deutschkurse, Begegnungstreffs und Sportanlässe für Asylsuchende anbieten. Viele wussten bis zum Schluss nicht, ob sie nun ihren angestammten Parteien oder der Kritik von links mehr Gehör schenken sollten. Manche werden leer eingelegt haben. Andere schrieben Leserbriefe ohne klare Position, dafür mit einer grundsätzlich positiven Haltung gegenüber den Asylsuchenden – immerhin ein wohltuender Farbklecks auf den sonst überwiegend ausländerfeindlichen ZU-Leserbriefseiten.
Zwischen mir und meinen SP-und-Grünen-Freunden, mit denen ich sonst eher am gleichen Strick ziehe, blieb bis zum Schluss der Graben in der Einschätzung, ob es Bülach tatsächlich besser könne oder nicht. Ausserdem war da die Befürchtung, dass ein Nein als Triumph der SVP gedeutet würde. Stattdessen hat Bülach nun den Triumph der Sparapostel und ein Asylzentrum, das elementare menschliche Bedürfnisse aussen vor lässt. Immerhin auch eine Verunsicherung in der Bevölkerung, die im besten Fall den einen oder die andere zu genauerem politischem Hinschauen motiviert.
31. Mai 2017
Maria Eisele
Zwischen Kaserne und Autobahn
Bülach bringt Asylsuchende neu in einem spartanischen Grossbau am äussersten Stadtrand unter. Das Ja zu diesem Projekt war allerdings deutlich knapper, als aufgrund der Wähleranteile der zustimmenden Parteien zu erwarten war, bloggt Maria Eisele, AL-Aktivistin in Bülach