
Seit gut zwanzig Jahren betreibt die Stadt Zürich eine aggressive Standortpolitik. Man profitiert dabei vom nahe gelegenen Flughafen, dem Steuersitz der drei grössten Schweizer Banken und den im internationalen Vergleich sehr tiefen Steuern. Um den Strukturwandel zu beschleunigen, öffnete der damalige Stadtpräsident Elmar Ledergeber die Industriezonen für das ins Immobiliengeschäft drängende Kapital. Zürich West ist das Mahnmal dieses Fehlentscheids. Finanziell erfreut sich die Stadt Zürich heute bester Gesundheit. Finanz- und Frankenkrise hat man weggesteckt. Der Ertrag der juristischen Personen hat das Allzeithoch des Jahres 2005 wieder erreicht. Erfreuen kann sich die Stadtkasse auch an der Veränderung der Bevölkerungsstruktur: Seit 2005 hat die Zahl der steuerpflichtigen natürlichen Personen mit mittleren Einkommen (bis 150’000 CHF) mit rund 25% und hohem Einkommen (bis 500’000 CHF) mit rund 50% stark zugenommen. Das ist in den umliegenden Gemeinden nicht der Fall.
Die Abkoppelung der soziodemografischen und ertragstechnischen Entwicklung der Stadt Zürich von ihrem Umfeld hat Folgen. Weniger verdienende Menschen ziehen in die Agglomeration. Die Stadt Zürich kann sich leisten, wovon der restliche Kanton nur träumt. Gemeinsame demokratische Prozesse zwischen den beiden werden erschwert, was schmerzhafte Folgen nach sich zieht, wie die kantonalen Blockaden im Hinblick auf eine vernünftige Verkehrspolitik oder der Förderung des preisgünstigen Wohnbaus in der Raumplanung zeigen. Soll Zürich eine Insel der Glückseligen werden, wo nur Privilegierte willkommen sind? Der links dominierten Stadtregierung würde es gut anstehen, alles zu unternehmen, um zu einem Zukunftslabor für eine inklusive Stadtpolitik zu werden. So steht die AL seit langem für Grundsätze ein, die der schleichenden Gentrifizierung des gesamten Stadtgebiets entgegenwirken: Mehr Ausnutzung für Grundeigentümer darf es nur noch geben, wenn sie sich verpflichten, preisgünstigen Wohnraum zu bewahren und Haushalte zu schützen, die bei einer Kündigung aus der Stadt wegziehen müssten. Zudem sollte die Gemeinwesensarbeit ihren Fokus konsequent auf Gebiete ausrichten, in denen die Verdrängungsprozesse bevorstehen.
Mischa Schiwow, AL-Gemeinderat im Züriberg