Im Unterschied zum privaten ist der öffentliche Raum ein Ort, der allen offensteht. Es geht «im öffentlichen Raum vor allem darum, Gemeinschaft zu stiften und gesellschaftliche Konklikte auszutragen» (Sprio Kostof). Im öffentlichen Raum lernen die Menschen miteinander zu leben, als Gemeinschaft zu funktionieren. Wenn gewisse Personengruppen aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden und wir nicht mehr mit ihnen konfrontiert werden, werden sie auch politisch nicht mehr berücksichtigt. Der öffentlich zugängliche Raum muss nicht ständig konfliktfrei sein, er muss nicht von Sozialarbeitenden und Polizei «zurechtgemacht» werden.
«Kommunizierte Repression»
Die Mitarbeitenden der sip züri patrouillieren in ihren blauen Uniformen durch die Stadt und erinnern nicht nur optisch an die Stadtpolizei. sip züri kombiniert «aufsuchende Sozialarbeit mit ordnungsdienstlichen Aufgaben». Aufsuchende Sozialarbeit bedeutet, dass vor der Repression noch ein wenig Prävention betrieben wird. Durch Kommunikation versucht man, eine Verhaltensänderung herbeizuführen – sollte diese sanfte Repression nichts bringen, wird «in kritischen Situationen die Stadtpolizei beigezogen». Die sip züri schreitet ein, wenn sich Anwohnende durch das Verhalten von Drogenkonsumierenden belästigt fühlen, wenn zwei sich laut streiten oder auch mal, wenn Hunde nicht angeleint sind. Laut Christian Fischer, Betriebsleiter der sip züri, übernimmt die sip die soziale Kontrolle im öffentlichen Raum. Die eingesetzten Methoden der sip bezeichnete er in einer Präsentation im November 2012 als «kommunizierte Repression».
Stabile Situationen und sauberes Strassenbild
In der Kommission wurde die Arbeit der sip wie folgt beschrieben: «sip züri geht in den öffentlichen Raum, um zu prüfen, ob eine Störung desselben vorliegt. Erkennen wir Handlungsbedarf, bitten wir um Verhaltensänderung, damit die Situation stabil bleibt. Beispiel: Eine Drogenkonsumentin auf einem Kinderspielplatz bitten wir, diesen Ort zu verlassen». In einem Interview erklärte sip-Chef Fischer: «Nach wie vor braucht es enorme Anstrengungen, um Drogenhandel und Drogenkonsum aus dem Strassenbild fernzuhalten». Die sip kümmert sich also nicht wirklich um die einzelnen Menschen. Sie versucht, Situationen zu stabilisieren und das Strassenbild sauber zu halten.
1990, zur Zeit der offenen Drogenszene, entstanden Angebote wie die Notschlafstelle und die Kontakt- und Anlaufstellen für Drogenkonsumierende. Auf den damaligen Gemeindebeschluss zur Überlebenshilfe stützte sich der Stadtrat – reichlich gewagt – als Rechtsgrundlage, als er 2000die Verhaltenspolizei sip züri einführte.
Fass ohne Boden
Über die Jahre hinweg ist die sip züri ständig ausgebaut worden. Sie startete mit 6.4 Stellenwerten und einem Budget von 1’267’000. und ist heute bei 33.9 Stellenwerten angekommen, mit einem Budget von 4’179’700.Den AL-Antrag für eine Plafonierung der Ausgaben hat der Gemeinderat abgelehnt. Damit kann das sip-Budget mit einem Beschluss, der nicht dem Referendum unterliegt, jederzeit erhöht werden. Ein Fass ohne Boden!
In der Abstimmungsvorlage wird der sip-Auftrag so offen formuliert, dass fast schrankenlos neue Aufgaben hinzukommen können. Anfänglich standen Drogen- und Alkoholkonsumierende und Punks im Fokus. Später waren betrunkene Jugendliche ein Problem, 2008 das öffentlich sichtbare Rotlichtmilieu, 2014 Asylsuchende im Zentrum Juch. Die heutigen Störfaktoren seien hauptsächlich Drogenkonsumierende, sozial Marginalisierte, Jugendliche und PartygängerInnen. Aber damit nicht genug: sip züri beaufsichtigte die Allmend Brunau und die Limmatauen Werdhölzli und übernimmt Sicherheitsaufträge für andere Gemeinden wie Wädenswil, Dietikon oder Kloten.
Paternalistische Verhaltenspolizei
Soziale Arbeit hat nichts mit Ordnungsdienst zu tun. Der Gemeindebeschluss aus dem Jahr 1990 erlaubt weiterhin wichtige Angebote wie die Notschlafstelle oder die Kältepatrouillen der sip züri. Für einen öffentlichen Raum, der partizipativ, demokratisch und inklusiv ist, braucht es keine paternalistische Verhaltenspolizei.
Ezgi Akyol, Gemeinderätin