Dass die Privilegien für Statusgesellschaften (Holdings, Domizilgesellschaften, gemischte Gesellschaften) international nicht mehr haltbar sind und fallen müssen, ist allen politischen Akteuren seit Jahren klar. Die Interessen der einzelnen Kantone gehen jedoch diametral auseinander. Gleichzeitig versuchen Lobbyisten der grossen Beratungsfirmen wie PricewaterhouseCoopers oder KPMG die Gunst der Stunde zu nutzen und in die unvermeidliche Reform gezielt Steuerschlupflöcher einzubauen. Der bürgerliche Mehrheitskonsens bei der anstehenden Reform ist klar: die alten Steuerprivilegien sind passé, aber die Party muss weitergehen. Tagesanzeiger-Redaktor Beat Metzler bringt es prägnant auf den Punkt: «Man fischt nach den gleichen Fischen, aber man tut es mit salonfähigen Ködern.» (TA 18. Januar 2017)
Massiv divergierende Interessen der Kantone
Die Veränderungen zwischen dem Vernehmlassungsentwurf, dem Antrag des Bundesrates an das Parlament und dem Beschluss der Räte, über den wir am 12. Februar abstimmen, widerspiegeln das Gezerre zwischen den verschiedenen staatlichen und privaten Akteuren. Da bei der direkten Bundessteuer die Hälfte der Unternehmenssteuereinnahmen von Statusgesellschaften stammen, hat der Bund ein handfestes Interesse, dass diese Erträge nicht abwandern. Auf kantonaler Ebene spielen die Statusgesellschaften steuerpolitisch eine ganz unterschiedliche Rolle. Es gibt im wesentlichen drei Gruppen:
- Die – im innerschweizerischen Vergleich – «Hochsteuer»-Kantone Basel-Stadt, Genf und Waadt (normaler Unternehmens-steuersatz inkl. Bund bisher über 20%): Haupteinnahmequelle bei Firmensteuern sind Statusgesellschaften (Chemie und Pharma in BS, Rohstoffhändler und US-Headquarters in GE, US- und EU-Unternehmenszentralen in VD). Vor allem in Waadt und Genf, weniger in Basel, besteht mittelfristig eine Abwanderungsgefahr. Um die Statusgesellschaften – sie zahlen bisher in der Regel 8% bis 11% – zu halten, planen alle drei Kantone (VD hat das im März 2016 bereits beschlossen) eine Reduktion der Nettosteuerbelastung (inkl. Bund) für alle Firmen auf 13-14%.
- Herkömmliche Tiefsteuer-Kantone wie Zug mit einem hohen Ertragsanteil der Spezialgesellschaften. Sie haben heute schon niedrige Steuersätze für alle Firmen (14.6%) und können die Aufhebung der zusätzlichen Privilegien der Spezialgesellschaften vergleichsweise gut verkraften.
- «Hochsteuer»-Kantone wie Zürich (heute über 20%): hier spielen die Statusgesellschaften eine vergleichsweise geringe Rolle, die Haupterträge stammen von normal besteuerten Firmen vor allem aus dem Finanzsektor (Banken und Versicherungen). Eine Senkung der Steuersätze drängt sich nicht auf, da kaum Abwanderungsrisiken von Statusgesellschaften bestehen. Zudem würde eine solche einen gewaltigen Kannibalisierungseffekt bei den heute ordentlich besteuerten Firmen bewirken. Mittelfristig kommt Zürich unter einen gewissen interkantonalen Konkurrenzdruck bei Neuzuzügen, weil das Gros der CH-Kantone – in der Inner- aber auch der Welschschweiz – mit deutlich tieferen Steuersätzen operiert.
Parlament kippt Gegenfinanzierung…
Mit seinem Antragspaket zur USR III hat der Bundesrat den Interessenausgleich gesucht. Um Steuerausfälle wegen kantonaler Steuersatzreduktionen oder der allfälligen Abwanderung bisher privilegiert besteuerter Gesellschaften aufzufangen, hat er gezielt Gegenfinanzierungen vorgeschlagen. Beim Vernehmlassungsentwurf stand die Einführung der Kapitalgewinnsteuer für Veräusserungsgewinne von Privaten im Zentrum – eine Steuer, die in allen europäischen Ländern zum Standard gehört. Gemäss Berechnungen der Steuerverwaltung kämen damit beim Bund 317 und bei den Kantonen 774 Millionen Franken – zusammen also über 1 Milliarde – zusammen. Dieser Vorschlag wurde in der Vernehmlassung abgeschossen. In seinem Antrag an das Parlament schlug der Bundesrat vor, den 2008 eingeführten Steuerrabatt auf Dividenden bei grösseren Beteiligungen bei Bund und Kantonen einheitlich auf 30 Prozent zu begrenzen (heute sind es beim Bund 40, in den meisten Kantonen 50 Prozent). Eine Massnahme, die gemäss Angaben des ständerätlichen Kommissionssprechers immerhin fast eine halbe Milliarde – 100 Mio beim Bund, 330 Mio bei den Kantonen – einbringen würde. Auch diese Gegenfinanzierung wurde vom Parlament verworfen – obwohl sich in der Vernehmlassung 21 Kantone dafür ausgesprochen hatten und 10 davon sogar für eine Begrenzung auf 20 Prozent plädierten…
Karikatur von Felix Schaad im Tagesanzeiger
… und packt «zinsbereinigte Gewinnsteuer» ins Paket
Die Mehrheit in beiden Kammern strich nicht nur die vom Bundesrat beantragte Gegenfinanzierung, der Nationalrat packte noch zusätzlich die sogenannte «zinsbereinigte Gewinnsteuer» in das USR-III-Paket. Um die Angriffsflächen in einem Referendumskampf zu minimieren, griff der Nationalrat überdies zu einem doppelten Unterzug. Er sprach sich zwar mehrheitlich für die vom Bundesrat beantragte Abschaffung der Emissionsabgabe (Stempelsteuer, 228 Mio Franken Steuerausfälle) bei der Ausgabe neuer Aktien aus, beschloss aber gleichzeitig, diesen Teil der Reform in eine separate Vorlage auszulagern und an die Kommission zurückzuweisen – immer nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Mehrheitlich bekundete die grosse Kammer auch Sympathien für die Forderung der Genfer Reeder, für Schifffahrtsunternehmen statt der Gewinnsteuer eine Art Pauschalsteuer, die sogenannte tonnage tax, einzuführen, lagerte aber auch dieses Steuergeschenk aus taktischen Gründen aus der USR III aus.
(Fortsetzung folgt)
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