BS, ZG, VD und GE massiv von Statusgesellschaften abhängig
Wie dem Bericht des Bundesrats zum Postulat Fässler zu entnehmen ist, entfallen fast zwei Drittel (61.3 Prozent) der Bundessteuereinnahmen von juristischen Personen auf die fünf Kantone Zürich, Baselstadt, Zug, Waadt und Genf. Allerdings sind diese Kantone in sehr unterschiedlichem Mass von den Statusgesellschaften abhängig. Während im Kanton Zürich im Durchschnitt der Jahre 2009-2011 nur 8 Prozent der kantonalen Steuereinnahmen auf Statusgesellschaften entfallen, sind es in Baselstadt (Pharma) 56, in Zug (Rohstoffhändler) 52, in Genf (Rohstoffhändler, US-Headquarters) 33 und in der Waadt (US- und japanische Headquarters) 30 Prozent. Hohe Anteile an Gewinnsteuererträgen von Statusgesellschaften verzeichnen auch Schaffhausen und Neuenburg mit 37 und Baselland mit 35 Prozent (Botschaft). Absoluter Spitzenreiter bei den gemischten Gesellschaften ist der Kanton Waadt mit gut einem Drittel der auf Bundesebene deklarierten Gewinne (16.3 von 48.3 Milliarden CHF) weit vor Zug (7.8), Genf (6.4) und Baselstadt (3.9) (Bericht NR 12.3821).
2.3 Billionen Franken in der Schweiz gebunkert
2013 erreichte die Summe des von allen juristischen Personen deklarierten Eigenkapitals in der Schweiz exorbitante 2’287 Milliarden CHF – das sind 2.3 Billionen Schweizerfranken oder fast das Vierfache des Bruttoinlandprodukts! Insgesamt hat sich die Schweiz in den letzten zwanzig Jahren zu einem gigantischen Bunker und Verschiebebahnhof für Profite von multinationalen Konzernen entwickelt. Ein Blick in die detaillierte Gemeindestatistik der direkten Bundessteuer für juristische Personen («Kennzahlen») zeitigt halluzinierende Ergebnisse. Beispiel Opfikon (ZH): 2002 – 2004 werden hier regelmässig 705 bis 740 Mio Franken Gewinn deklariert, 2005 schnellt der Betrag unvermittelt auf 20’720 Mio Franken empor und fällt im Jahr danach auf 322 Mio Franken zurück. Die abgelieferten Bundessteuern schwanken in diesem Zeitraum jedoch bloss zwischen 22 und 28 Mio Franken pro Jahr. Hier wird bloss ein steuerfreier Kapitalgewinn realisiert oder ein ausländischer Profit kurz zwischengelagert. Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren.
Mafiaähnliche Verhältnisse im Kanton Waadt
Ein trauriges Kapitel für sich ist der Kanton Waadt. Bis 2007 konnten strukturschwache Kantone, darunter die Waadt, dank dem sogenannten Bonny-Beschluss für Firmenansiedlungen während 10 Jahren bei den Steuern von Bund und Kanton bis zu 100% Erleichterungen gewähren. Während Jahren und auch noch kurz vor der Aufhebung des Bonny-Beschlusses hat der Kanton Waadt massiv von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Diese unverantwortlichen Steuergeschenke laufen grösstenteils Ende 2017 aus. Wohl der zentrale Grund, warum die Waadt bereits 2015 als erster und einziger Kanton im Vorgriff auf die USR III eine radikale Steuersenkung auf 13.79% beschlossen hat: es galt, die mit Massiv-Rabatten angelockten Multis bei der Stange zu halten.
900 Millionen Franken zusätzliche Steuerrabatte in der Waadt
Gemäss Bericht des Bundesrats zum Postulat Fässler deklarierten die gemischten Gesellschaften im Kanton Waadt 2011 beim Bund einen steuerbaren Reingewinn nach Abzügen von 16.3 Milliarden Franken. Darauf hätten sie beim Normsteuersatz von 8.5% 1’383 Millionen Franken Bundessteuern entrichten müssen. Tatsächlich bezahlten sie jedoch bloss 479 Millionen oder 2.94%. Der Trick: zunächst erhielten die ausländischen Multis (Nissan, Chiquita, Celgene, Vale etc.) den privilegierten Status als gemischte Gesellschaft, dann wurde ihnen bei den Bundes- und Kantonssteuern zusätzlich ein Ansiedelungsrabatt gewährt. Die äusserst lasche Praxis der Waadt wurde 2012 in einem Prüfbericht der eidgenössischen Finanzkontrolle scharf gerügt.
Der Fall Vale
Firmensitz der Vale International SA in Saint-Prex (VD)
Der wohl krasseste Fall, den die Finanzkontrolle rüffelte, ist der brasilianische Bergbaukonzern Vale. Die Vale International SA wurde als Nachfolgegesellschaft der vormals in Nassau (Bahamas) domizilierten Itabira Rio Doce Company Ltd 2006 in Saint-Prex gegründet. Sie erhielt einen 100%-Erlass für die Steuern von Kanton und Gemeinde und wurde zu 80% von der Bundessteuer befreit. 2004 – 2006 verzeichnete Saint-Prex, eine Gemeinde mit 5’600 Einwohnern und Sitz der Vetropack Holding SA, deklarierte Firmengewinne zwischen 6 und 55 Mio Franken pro Jahr. 2007 nach dem Zuzug der Vale International SA schnellten die Gewinne steil auf 11’461 Mio Franken empor. Die Vale hatte offenbar einen Teil ihrer weltweiten Gewinne in die Waadt transferiert, um sie dort praktisch steuerfrei zwischenzulagern. Auf dem stolzen Milliardengewinn wurden bloss 135 Mio Franken Bundessteuern (1.18%) und null Franken Kantons- und Gemeindesteuern abgeführt. Von 2007 – 2012 wurden in Saint-Prex – praktisch allein von Vale – total 35’728 Mio Franken Gewinne deklariert und darauf 1.18% oder 407 Mio Franken Bundessteuern abgeliefert. Nach dem Bericht der Finanzkontrolle wurde Vale International SA von der eidgenössischen Steuerverwaltung zu einer Steuernachzahlung von 212 Millionen Franken verknurrt. Im Jahr 2013 sackten die in der Gemeinde Saint-Prex deklarierten Firmengewinne auf schlappe 163 Mio Franken ab…
(Fortsetzung folgt)
Alle USR-III-Blogs
USR-III-Bschiss Nr. 5: Die Schweiz als Bunker und Verschiebebahnhof für weltweite Profite (Teil 1) USR-III-Bschiss Nr. 5: Die Schweiz als Bunker und Verschiebebahnhof für weltweite Profite (Teil 2) USR-III-Bschiss Nr. 6: Reformvorschlag des Bundesrats und Machwerk des Parlaments USR-III-Bschiss Nr. 7: Blackboxen im Multipack USR-III-Bschiss Nr. 8: Wer verliert – wer profitiert? USR-III-Bschiss Nr. 9: Da gibt es nur eins: NEIN stimmen! USR-III-Bschiss Nr. 10: Eine Alternative ist möglich
USR-III-Bschiss Nr. 5: Die Schweiz als Bunker und Verschiebebahnhof für weltweite Profite (Teil 2)
In der zehnteiligen Serie zur Unternehmenssteuerreform III versucht Niggi Scherr ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Folge 5 zu den mafiaähnlichen Zuständen im Kanton Waadt (Teil 2).