David, du bist neu Gemeinderat der Alternativen Liste. Wann und warum hast du dich entschieden, ein politisches Mandat zu übernehmen?
David Garcia Nuñez: Das Ganze war ein Prozess. Nach einer langen politischen Pause besuche ich seit 2009 regelmässig die AL-Vollversammlungen. Irgendwann habe ich signalisiert, dass ich mich für die AL engagieren will. Dann wurde ich angefragt, bei den Wahlen mitzumachen. Manchmal in einer aussichtsreichen Position, manchmal nicht. Vor den letzten Gemeinderatswahlen traf ich mich mehrmals mit Niggi Scherr und dem Vorstand, um jene Nachfolgestrategie zu entwickeln, die jetzt aufgegangen ist.
Du stammst aus einer politischen Familie. Wie darf man sich deine Politisierung in der Jugend vorstellen?
Tatsächlich stamme ich aus einem sehr politisierten Haus. Meine Eltern waren während und nach der spanischen Diktatur zuerst in der PSOE und dann bei der Lehrer_innengewerkschaft aktiv. Als Kind verbrachte ich zusammen mit meinem Bruder gefühlte Ewigkeiten in Parteizentralen und Gewerkschaftssekretariaten, wo wir zumindest mit den Kindern der anderen Mitglieder spielen konnten. Selbstverständlich fragte ich in diesen Situationen nach, worüber die Erwachsenen so intensiv und so lange sprachen. So lernte ich früh, soziale Zusammenhänge besser zu verstehen und Ungerechtigkeiten klar zu bezeichnen.
In der Schweiz engagierte ich mich dann in der Schüler_innengewerkschaft der Kantonsschule Glarus (ja, so was gab es dort!) und im Studierendenverband der Uni Zürich. Aufgrund meines Studiums bzw. meines Berufs musste ich meinen Aktivismus irgendwann einschränken. Man kann sich neben einer 50-Stunden-Arbeitswoche und einer Ausbildung als Psychotherapeut nicht gleichzeitig politisch an vorderster Front engagieren. Während dieser Zeit beobachtete ich das politische Geschehen aus mittlerer Distanz, indem ich gelegentlich an Vollversammlungen oder Demos ging.
Bestimmt hast du dir auch schon Gedanken darüber gemacht, wie der Sitz im Gemeinderat dein Leben verändern wird?
Ich wurde schon von mehreren Seiten vorgewarnt, dass ich die Ansprüche an mein Privatleben reduzieren solle. Die Ratssitzungen seien hierbei nicht derjenige Ort, welcher die meiste Zeit konsumieren werde. Viel mehr müsse man sich ausserhalb des Rats engagieren und den Kontakt mit anderen Parteien, der Verwaltung, dem Quartierverein, etc… suchen und dabei die Verbindung zum nächsten Umfeld, der Nachbarschaf, den Leuten im Generellen nicht verlieren. Ich nehme diese Situation jedoch nicht als Bedrohung wahr. Ich freue mich auf dieses Amt und suche gerade diese Spannungsfelder. Vielleicht musst du mir aber diese Frage in zwei Jahren stellen!
Du arbeitest als Arzt für Geschlechtervarianz am Unispital Basel und setzst dich für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft ein. Inwiefern siehst du Möglichkeiten, auf kommunaler Ebene etwas zu bewirken?
Zürich ist eine offene Stadt, welche in den letzten Jahren einige Schritte zur Gleichstellung der LGBT-Gemeinschaft genommen hat. Das Projekt «Regenbogenhaus» ist beispielsweise bereits lanciert und ich werde es aus meiner Position heraus unterstützen. Gleichzeitig erfahre ich insbesondere von Trans*Personen, die ich begleite, von Stigmatisierungen im Alltag, die durch die Institutionen entstehen. So fragen viele Ämter «aus Gewohnheit» nach dem Geschlecht einer Person, obschon diese Information für die konkrete Situation absolut keine Relevanz hat. Das muss sich ändern. Ebenso wichtig ist es, dass an Orten, wo die Geschlechtsidentität erfragt wird, immer mehr als zwei Varianten (Frau/Mann) zur Verfügung stehen. In meinem Alltag sehe ich, wie diese vermeintlich kleinen Verletzungen das Leben von Trans* Personen zum Spiessrutenlauf werden lassen, was früher oder später gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Welche politischen Kernthemen liegen dir sonst noch am Herzen?
Als Mediziner liegt mir natürlich die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung am Herzen. Mit den Stadtspitälern Triemli und Waid haben wir zwei gute Institutionen, die sich um diese Aufgabe kümmern. Das können sie aber nur tun, wenn sie selbst gesund bleiben. Es ist wichtig, dass die Spitäler den Draht zur Bevölkerung nicht verlieren und auf die Anliegen der Öffentlichkeit schnell und flexibel reagieren können. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Krankenhäuser weiterhin öffentlich betrieben werden. Privatisierungspläne, wie sie die kantonale Gesundheitsdirektion momentan hegt, bedeuten einen Rückschritt.
Zum selben Themenkreis gehört für mich die Sicherstellung einer guten Versorgung in den Alters- und Krankenheimen der Stadt. Dank des medizinischen Fortschritts werden wir alle glücklicherweise älter. Daher ist es auch wichtig, dass sich die Stadt auf diesem Feld innovativ zeigt und gute Lösungsansätze für die sehr verschiedenen Anliegen dieser wachsenden Bevölkerungsschicht zur Verfügung stellt.