Nach dem tagelangen Kesseltreiben wegen des Partylärms auf dem Koch-Areal feuert der Tagesanzeiger erneut eine Breitseite gegen Richi Wolff ab. «Wolff hat drei Jahre lang gegen die Ausstandsregeln verstossen» verkündet der Aufmacher reisserisch auf der Frontseite – als hätte der AL-Stadtrat während Jahren ein schweres Dauer-Delikt begangen.
Rutishauser als selbsternannter Praeceptor Turicensis
Zuvorderst in der medialen Giftküche mischt TA-Chefredaktor Arthur Rutishauser mit. In seinem Kommentar greift er tief in die SVP-Kiste und verkündet als selbsternannter Praeceptor Turicensis ex cathedra: Wolff ist als Sicherheitsvorsteher nicht mehr tragbar. Um zu belegen, wie gravierend Wolffs bisheriger Nicht-Ausstand sei, stellt er ihn auf eine Stufe mit Insiderdelikten von Wirtschaftsexponenten wie ZKB-Chef Vögeli, der hintenherum mit Sulzer-Optionen spekulierte, und Nationalbank-Präsident Hildebrand, der private Devisengeschäfte tätigte. Ein mehr als grotesker Vergleich, ging es dort doch um private Bereicherung. Bis heute hat aber Wolff unseres Wissens in der Urania keine goldenen Löffel und auch keine Zahltagstäschli geklaut. Damit nicht genug, steigt der Chefredaktor auch noch persönlich in die Niederungen des Lokalressorts hinab und platziert dort eine Story über mögliche Mehrwertsteuerverstösse bei Partyanlässen auf dem Koch-Areal.
Wo bleibt Stefan Hohler?
Schmerzlich vermisst in der neusten Staffel der medialen Saubanner-Novela der Pharisäer von der Werdstrasse habe ich bis jetzt den hohlen Stefan. Doch keine Bange: nach der tiefschürfenden Mehrwertsteuer-Recherche des Chefredaktors wird er uns in den nächsten Tagen zweifellos mit einem Hintergrundartikel über die vielfältigen Gesetzesverstösse bei der Müllproduktion und Abfallentsorgung auf dem Koch-Areal beglücken. Hohler hat sich ja schon bei der Binz- und der Labitzke-Besetzung als profunder Müllexperte profiliert. Leider ist ihm die geile Hanfplantagen-Story, auf die er zusammen mit SVP-Mauro so fest gehofft hatte, abhandengekommen, weil die Köchlerinnen und Köchler mittlerweile das Gras geerntet haben. Oktober ist eben nicht nur Jagd-, sondern auch Erntezeit…
Tant de bruit pour une omelette
Worum geht es eigentlich? Das Koch-Areal ist ein kleiner bunter Fleck auf dem Zürcher Stadtplan. Hier probt eine Gruppe junger Menschen alternative Lebensentwürfe und bereichert die Stadt mit kulturellen Events. Von einem besetzten Areal kann man eigentlich nur beschränkt reden. Die «Besetzer» haben mit der Stadt nämlich einen Gebrauchsleihevertrag abgeschlossen. Gestützt darauf zahlen sie alle Betriebskosten für Strom, Wasser, Abwasser und Abfallentsorgung und haben obendrein in fünf Raten 25’000 Franken auf ein Sperrkonto für allfällige spätere Räumungs- und Entsorgungskosten einbezahlt.
Die terribles amplificateurs im Anmarsch
Statt den terribles simplificateurs, vor denen einst Jakob Burckhardt warnte, sind an der Werdstrasse jetzt offenbar die terribles amplificateurs, die professionellen Aufbauscher, eingezogen. Wenn FDP und SVP zu Wahlkampfzwecken das Koch-Areal zum politischen Kernproblem der Stadt Zürich hochstilisieren, kann ich das irgendwie nachvollziehen. Auch wenn es krass verhältnisblödsinnig ist angesichts der Tatsache, dass die Stadt in den nächsten Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in die geplanten Tagesschulen investieren und zugleich einen dreistelligen Millionenbetrag an Einnahmenverlusten wegen der Unternehmenssteuerreform III verkraften muss. Aber so funktioniert Politik nun mal. Warum aber eine Zeitung wie der Tagesanzeiger, die immer noch einen bescheidenen Rest ihres Rufs zu verlieren hat, sich auf Weltwoche-Niveau an dieser politisch motivierten Wolffsjagd beteiligt und diese aktiv befeuert, bleibt weiterhin ein Rätsel. Es sei denn, sie sei bereits vom Somm-Virus befallen…
30. Oktober 2016