Am 1. Juni hat der Gemeinderat gegen die Stimmen der Grünen beschlossen, die pro Wohneinheit resp. Vollzeitstelle erhobenen Grundgebühren von ERZ Abfall 2017 bis 2019 um 50% zu senken. Eine analoge Reduktion bei ERZ Abwasser haben SP, Grüne und GLP dagegen – übereinstimmend mit dem Stadtrat – bachabgeschickt. Auslöser war eine 2013 überwiesene Motion von mir und FDP-Gemeinderat Albert Leiser, Direktor des Hauseigentümerverbandes (HEV). Nicht zum ersten Mal: Bereits 2007 hatten Leiser und ich per Motion für 2008 – 2010 einen Verzicht auf die Infrastrukturgebühr von ERZ Abwasser durchgesetzt.
Allein die Tatsache, dass die AL-Fraktion sich erfrechte, zusammen mit dem freisinnigen HEV-Vertreter eine temporäre Gebührenreduktion bei ERZ Abfall und Abwasser zu fordern, sorgte bei einigen allzu staatstragenden Gspänlis von SP und Grünen für Stirnrunzeln. Man und frau witterte gar einen populistischen Anschlag auf den heiligen Gral des service public. Schliesslich weiss jeder: wenn die AL mit der FDP fremdgeht, ist das eine unheilige Allianz – wenn die SP mit der FDP zusammenspannt, ist es todsicher eine Koalition der Vernunft…
Worum geht es? Auf der Linken erliegen manche dem Irrtum, ein Bekenntnis zum service public sei automatisch ein Ja zu einer Gebühren-Hochhaltungspolitik. Besonders anfällig dafür sind einige Grüne, die günstige, aber kostendeckende Tarife für Abfall und Abwasser reflexartig als Angriff auf die Oekologie werten. Tatsache ist: Beim Wasser, bei der Abfall- und Abwasserentsorgung und als KleinkonsumentInnen beim Strom stehen wir einem staatlichen Monopol gegenüber, wir können nicht auf einen anderen Anbieter ausweichen. Hier kollidieren zwei legitime Interessen: das der Betriebe an einer möglichst nachhaltigen Finanzierung und das der KonsumentInnen an möglichst günstigen Tarifen. Da braucht es einen Interessensausgleich. Während das Finanzierungsinteresse primär von Exekutive und Verwaltung wahrgenommen wird, ist es Aufgabe des Parlaments, das Konsumenteninteresse einzubringen und zu verteidigen. Beim Abwägen geht es auch um die Frage der Generationengerechtigkeit: soll die heutige Generation alles vorfinanzieren oder sollen auch die späteren Nutzniesser mit dazu beitragen?
Bei ERZ Abfall wie bei ERZ Abwasser sind die Voraussetzungen für einen Gebührenbonus klar gegeben. Seit Jahren legen beide extrem pessimistische Budgets vor, die von den Rechnungsabschlüssen jeweils krass Lügen gestraft werden. Beispiel ERZ Abwasser: von 2011 – 2015 fiel das Ergebnis insgesamt um 120 Mio Franken besser aus als budgetiert; 2015 resultierte statt dem budgetierten Defizit von 17 Mio Franken ein Gewinn von knapp 14 Millionen. 2010, als ERZ Abwasser 106 Mio Franken Reserven angehäuft hatte, prophezeite CEO Pauli bis 2015 ein Absacken auf 10 Millionen. Tatsächlich lagen dann per 31.12.2015 97 Millionen im Reservetopf…
Unkontrollierte Monopole führen zu Überbudgetierung und Kostenintransparenz. Und schaffen damit auch Polster für unnötige und unberechtigte Ausgaben bis hin zum Risiko von Korruption. Die gewaltigen Kraftwerk-Fehlinvestitionen im Ausland von staatlich beherrschten, aber nicht demokratisch kontrollierten Stromriesen wie AXPO, Alpiq und Repower sind ein eindrücklicher Lehrblätz. Angesichts der permanenten Überbudgetierung ist es auch nicht erstaunlich, dass es ERZ-CEO Pauli gelungen ist, während Jahren Mehrkosten für das ERZ-Logistikzentrum Hagenholz in Millionenhöhe widerrechtlich auf Unterhaltskonten umzubuchen.
Eine Halbierung der Infrastrukturgebühren von ERZ Abfall und Abwasser hätte für Mietende und Firmen pro Jahr insgesamt 25 Mio Franken Entlastung gebracht. Das entspricht knapp 2 Steuerprozenten – ein nicht zu verachtender Impuls für Konsum und Investitionen, den auch die Linken nicht verschmähen sollten.
Meh Biss 2016/6 als PDF