Winterthur: Der Stadtrat handelt
Am 27. September 2016 – knapp sechs Monate nach Einleitung der internen Untersuchung – hat der Winterthurer Stadtrat an einer Medienkonferenz vorbehaltlos über die finanziellen Tricksereien und die Bilanzverschleierung bei der Beteiligung an der Wärme Frauenfeld AG informiert. Zwei Kaderleute von Stadtwerk Winterthur, die kompetenzwidrig Ausgaben von 2.8 Mio Franken bewilligt und auf falschen Konten abgebucht haben, sind entlassen worden. Der 100-seitige Schlussbericht der Administrativuntersuchung ist, abgesehen von ein paar Anonymisierungen, in vollem Wortlaut ins Internet gestellt worden.
Zürich: Leutenegger bagatellisiert und erteilt Persilschein
Spätestens seit Anfang September 2015 weiss Departementsvorsteher Leutenegger, dass es rund um den Bau des ERZ-Logistikzentrums Hagenholz zu groben Verfehlungen gekommen ist. Seither betätigt er sich als Verzögerer und Verharmloser. Erst jetzt, mehr als ein Jahr danach, dürfen wir aus einem dürren Mediencommuniqué erfahren, dass der Baukredit von 72.1 Mio Franken um 14.7 Mio Franken oder sagenhafte 20 Prozent überschritten worden ist – Mehrkosten, die ERZ-Direktor Urs Pauli durch regelwidrige Umbuchungen auf Unterhaltskonti zu verschleiern versucht hat.
Dank einem Bericht der WoZ wissen wir, was die Finanzkontrolle unter anderem festgestellt hat:
- bei 140 überprüften Rechnungen von vier Lieferanten im Umfang von 10 Mio Franken fehlen in 109 Fällen die Offerten und in 132 Fällen die Verträge, Leistungsrapporte sind überhaupt keine vorhanden; laut ERZ seien die Unterlagen «versehentlich entsorgt» worden;
- der überwiegende Teil der Aufträge hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen, was nicht geschah;
- in fast zwei Dutzend dokumentierten Fällen wurden die Ausgabenkompetenzen überschritten, indem die Kredite gezielt gesplittet wurden;
- sechs Aufträge im Wert von 300’000 bis 640’000 Franken bewilligte ERZ-Direktor Pauli in Eigenregie, obwohl dafür die/der politische Vorgesetzte (Genner resp. Leutenegger) zuständig war.
Trotzdem sprach der TED-Vorsteher im Dezember 2015 bagatellisierend von einer «inakzeptablen Nachlässigkeit» und versucht auch jetzt den Eindruck zu erwecken, es ginge eher um einen Fall von bürokratischer Schlampigkeit als um einen handfesten Skandal. Der Urheber des Finanzdebakels, ERZ-Direktor Urs Pauli, erhält vom Stadtrat denn auch bloss eine Ermahnung, die mildestmögliche Personalmassnahme ohne jede arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Ausgerechnet der Medienprofi, der sich gerne rundum transparent gibt, pflegt in der Causa ERZ äusserste Geheimhaltung. Da gibt es einen Bericht der Finanzkontrolle: geheim. Die vom Tiefbauvorsteher angeordnete Administrativuntersuchung: geheim. Der Abschlussbericht des Stadtrats: geheim.
AL fordert personelle Konsequenzen und volle Transparenz
Artikel 77 des städtischen Personalrechts besagt: «Die Angestellten müssen rechtmässig handeln und die ihnen übertragenen Aufgaben persönlich, sorgfältig, wirtschaftlich und im Interesse der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ausführen.» Das gilt ganz speziell für Kaderleute. Dieser Anforderung vermag Urs Pauli, der sich im ERZ-Geschäftsbericht gerne als selbsternannter «CEO» geriert, nicht zu genügen. Wer zulasten von uns allen als ERZ-Zwangsgebührenzahlern 15 Mio Franken in Eigenregie verpulvert und das zu vertuschen versucht, hat seinen Kredit verwirkt.
Nicht nur die Zeit des Händchenhaltens ist vorbei, auch die Ära der Geheimniskrämerei. Wir haben genug von der Politik des Hörensagens: Der Bericht der Finanzkontrolle, das Ergebnis der Administrativuntersuchung und der Abschlussbericht des Stadtrats müssen in vollem Wortlaut auf den Tisch.
4. Oktober 2016
Medienmitteilung als PDF
vgl. auch den ausführlichen Blog von Niggi Scherr: Filippo, es reicht!