Am 30. November 2008 erlitten AL, Grüne und der Mieterinnen- und Mieterverband mit dem Referendum gegen die Umzonung des Zollfreilagers in Albisrieden mit nur 22 Prozent Nein-Stimmen eine Kanter-Niederlage. Am 23. September lädt die Zürcher Freilager AG die lokale Cervelat-Prominenz zur Einweihungsfeier mit Apéro riche, lässt sich von SP-Stadtrat André Odermatt loben und vom Energiebeauftragten das Zertifikat als 2000-Watt-Areal überreichen. Zeit, Bilanz zu ziehen.
Das Areal war 2008 einer Industriezone mit Zulassung von Handels- und Dienstleistungsbetrieben (IHD) zugeteilt, wo Wohnnutzungen verboten sind. Für die angestrebte Umzonung in eine Zentrumszone mit Mischnutzungen war die Besitzerin auf politische Mehrheiten angewiesen. Die 70 000 m2 figurierten Ende 2006 mit schlappen 25.7 Mio Franken in den Büchern – weniger als 400 Franken pro m2. Zudem hielt die städtische Pensionskasse hinter der AXA Winterthur (30 Prozent) mit rund 15 Prozent das zweitgrösste Aktienpaket und stellte – übrigens bis heute – mit Andi Hoppler (SP), dem langjährigen Präsidenten der Stiftung PWG und Vorsitzenden des Anlageausschusses der Pensionskasse, den VR-Vizepräsidenten.
Die Rahmenbedingungen waren nicht ungünstig für unsere Forderung, ein Drittel der Wohnungen im gemeinnützigen Wohnungsbau zu realisieren. «Gopf. Wo sind di zahlbare Wohnige?!» fragten wir auf unserem Plakat. Eine politische Premiere, für die wir jedoch allseits als Exoten und Extremisten beschimpft wurden. Die städtische SP liess uns mehr als im Regen stehen. «Dank der klar positiven Grundhaltung der Stadt Zürich und der konstruktiven Berichterstattung in den Leitmedien» -– so die Zürcher Freilager AG triumphal im Geschäftsbericht 2008 – «gelang es uns, die Stimmberechtigten davon zu überzeugen, dass ein solches Anliegen in unserer Rechtsordnung keine Grundlage hat.»
Historisch betrachtet, manifestierten sich im Streit um das Zollfreilager die letzten Zuckungen der Elmartelli GmbH, die von 1998 bis 2010 mit ihrem Kuschelkurs gegenüber den Investoren städtebauliche Chance um Chance vergab. Gut ein Jahr später hatte der Wind gedreht. Beim Gestaltungsplan Manegg gelang es Anfang 2010, jetzt mit Unterstützung der SP, im Gemeinderat einen Mindestanteil an gemeinnützigen Wohnungen durchzusetzen. 2014 kam dann ein kantonsweites Ja zu Mindestanteilen an preisgünstigen Wohnungen bei Um- und Aufzonungen.
Und wie präsentiert sich das Wohnungsangebot im Zollfreilager? Die 3.5-Zimmer-Wohnungen kosten netto zwischen 2 190 und 3 980 Franken, die 4.5-Zimmer-Wohnungen 2 600.- bis 5 100.-. Marktmieten eben, viele finden das nachgerade normal.
Zum Vergleich: laut Stadtrat beträgt die Kostenmiete beim aktuellen Referenzzinssatz von 1.75% – ohne Subvention, einschliesslich Erneuerungsrückstellungen – für 4.5 Zimmer 1 690 Franken (Weisung Wohnbauaktion 2017). Dabei dürfen die Landkosten maximal 20 Prozent der Gesamtkosten (Bau plus Land) ausmachen. In die Bauten auf dem Freilager werden 360 Mio Franken investiert, nach Kostenmietmodell dürften also noch Landkosten von maximal 90 Mio dazukommen. Bei Planungsbeginn figurierte das Areal jedoch bloss mit 26 Mio in den Büchern: Selbst bei einer Aufwertung dieses Buchwerts um den Faktor 3 – 4 könnten die Limiten der Kostenmiete eingehalten und zahlbare Wohnungen erstellt werden.
Noch vor Abschluss der Bauarbeiten schätzte Jones Lang LaSalle AG den Arealwert (ohne Rautiblock) Ende 2015 bereits auf 533 Mio Franken. Das ergibt einen Landwert von 173 Mio Franken (533 Mio Arealwert minus 360 Mio Baukosten) oder rund 2 500 Franken pro m2.
Fans der 2000-Watt-Gesellschaft finden solche sozial- und verteilpolitischen Berechnungen wahrscheinlich kleinlich. Für sie zwei andere Zahlen: sind 703 Parkplätze für 800 Wohnungen besonders 2000-Watt-kompatibel? Oder 2.5-Zimmer-Wohnungen mit bis zu 139 m2 Wohnfläche und 4.5 Zimmer mit 111 bis 183 m2?
P.S. Das Tüpfli auf dem i ist die Tatsache, dass für das nötige Schulhaus – wie schon in Zürich West mit dem Pfingstweidareal -– die benachbarten Familiengärten abgewrackt werden, weil die Politik versagt hat.
Niklaus Scherr, Gemeinderat AL
(P.S. 16. September 2016)
Korrektur 23. September 2016: Die 4.5-Zimmer-Wohnungen kosten netto zwischen 2550.- und 5100.-, die 3.5-Zimmer-Wohnungen netto zwischen 1700.- und 3980.-. Der Medianpreis für eine 4.5-Zimmer-Wohnung liegt netto bei 3250.-, für eine 3.5-Zimmer-Wohnung bei 2380.-.