Vom Steuerdumping…
Meine letzte politische Erinnerung an Obwalden datiert vom 1. Juni 2007. An diesem Tag verfolgte ich als Mitverfasser der staatsrechtlichen Beschwerde gegen das Obwaldner Steuergesetz während vier Stunden die öffentliche Urteilsberatung am Bundesgericht, die Kantonsregierung in corpore zu meiner Linken. Mit sechs zu einer Stimme befand das hohe Gericht, die geplanten degressiven Steuern zugunsten der Superreichen seien verfassungswidrig. Inzwischen hat der Kanton eine einheitliche Proportionalsteuer (flat rate) für alle natürlichen Personen von gut 12 Prozent und mit 12.7 Prozent eine der schweizweit tiefsten Gewinnsteuern für Firmen eingeführt. Auch das kein Grund zum Jubeln.
…zur progressiven Krippen- und Hortfinanzierung
Eine gross andere Steuerpolitik wäre allerdings kaum zu erwarten. Die Obwaldner Regierung ist schliesslich monocolore bürgerlich: 2 FDP, 2 CVP und 1 CSP. Mit ihrem Antrag zur Mitfinanzierung der Kinderbetreuung durch die Unternehmen – sie sollen rund ein Drittel der Gesamtkosten der öffentlichen Hand übernehmen – hat sie aber eindeutig einen progressiven Coup gelandet und für einmal unsere linken Vorurteile Lügen gestraft. «Aus volkswirtschaftlicher Sicht» – so die Regierung in ihrer Botschaft – «haben familien- und schulergänzende Angebote einen hohen Nutzen. Aktuelle Studien und ältere Berechnungen des Regionalentwicklungsverbands Obwalden weisen auf einen hohen „Return on Investment“ hin. Aktuelle Studien im Auftrag des Bundes zeigen zudem, dass die finanzielle Belastung der Eltern für die familienexterne Betreuung zwei bis dreimal so hoch ist wie in anderen Ländern.» Das logische Fazit: «Aufgrund des ausgewiesenen volkswirtschaftlichen Nutzens sollen sich die Arbeitgeber an der Finanzierung der Tagesstrukturen beteiligen.» Das könnte eins zu eins von der AL stammen.
Pioniere der Krippenfinanzierung in der Deutschschweiz: Obwaldner Regierung mit Christoph Amstad (CVP), Paul Federer (FDP), Franz Enderli (CSP), Niklaus Bleiker (CVP) und Maya Büchi-Kaiser (FDP) (von links, flankiert von Landweibelin und Landschreiber)
Krude Marktlogik von TA-Redaktor Nussbaumer
Die mit Standortvorteilen nicht gesegneten Innerschweizer versuchen clever und pragmatisch, mit Geldern aus der Wirtschaft die Tarife für die Kinderbetreuung zu verbilligen, um für Familien mit Kindern attraktiver zu werden und der Abwanderung entgegenzuwirken. Ganz anders sieht das der Städter Hannes Nussbaumer, Zürcher Ressortchef des Tagesanzeigers. Wenn ich seinen etwas wirren Kontra-Artikel richtig verstanden habe, sollen die Gemeinden nicht nur um den tiefsten Steuerfuss, sondern auch um das finanziell attraktivste Angebot auf dem Krippenmarkt rivalisieren, damit die Eltern als souveräne Marktteilnehmer easy den passenden Wohnort auswählen können. Unterstützungsleistungen von Dritten – ob vom Kanton oder der Wirtschaft – wären da vollständig fehl am Platz und könnten den Krippen-Standortwettbewerb nur verfälschen. Null Verständnis zeigt Nussbaumer dafür, dass die Linken einem solchen sozialdarwinistisch inspirierten Krippen-Standortwettbewerb nichts abgewinnen können. Wegen knapper Gemeindefinanzen hat Winterthur kürzlich die Einkommenslimite für Kita-Zuschüsse auf 75’000 Franken gesenkt und prompt mussten zwei Krippen wegen rückläufiger Nachfrage dicht machen. Dass hier ein Zuschuss aus der Wirtschaft sinnvoll Gegensteuer geben könnte, passt nicht in Nussbaumers Wettbewerbslogik: no local money, no Kita! Pech für die Mamis und Papis in Winti…
Niklaus Scherr
P.S. Verantwortlich für den Antrag in Obwalden zeichnet CSP-Bildungsdirektor und Landammann Franz Enderli. Wie wärs, wenn CVP-Bildungsdirektorin Silvia Steiner, CVP-Gewerbeverbandspräsidentin Nicole Barandun und CVP-Fraktionschef Philipp Kutter eine kleine Polit-Wallfahrt nach Sarnen oder Engelberg unternehmen würden?