Der öffentlich zugängliche Raum muss nicht ständig konfliktfrei sein und vor allem muss er nicht immer von Sozialarbeitenden, PolizistInnen und anderen Staatsangestellten “zurechtgemacht” werden.
Der Zürcher Stadtrat sieht das aber anders. Mit der Weisung “Konfliktvermittlung und Hilfe im öffentlich zugänglichen Raum” möchte er durch einen Gemeindebeschluss eine genügend klare Rechtsgrundlage schaffen für etwas, dass es so schon gibt: sip Züri – Sicherheit, Intervention, Prävention.
Kommunizierte Repression
Die Mitarbeitenden der sip Züri patrouillieren zu zweit in ihren blauen Uniformen durch die Stadt und erinnern nicht nur optisch an die Stadtpolizei. Sip züri kombiniert „aufsuchende Sozialarbeit mit ordnungsdienstlichen Aufgaben“. Sie beschreibt ihre Arbeit wie folgt: “Prävention vor Repression, Verhaltensänderung durch Kommunikation und Information und Vermittlung von Hilfsangeboten” – sollte diese sanfte Repression nichts bringen, wird “in kritischen Situationen die Stadtpolizei beigezogen”. Die sip züri schreitet ein, wenn sich “Anwohnende oder PassantInnen durch das Verhalten von Drogenkonsumierenden, Punks, Jugendlichen oder Party-Besuchenden belästigt fühlen, Hunde nicht angeleint sind oder zwischen einzelnen Beteiligten lauter Streit entsteht”. Laut Christian Fischer, Betriebsleiter der sip züri, übernimmt die sip die soziale Kontrolle im öffentlichen Raum. “Öffentlicher Raum ist für alle da. Wenn aber jemand denkt, er verfüge über eine Monopolnutzung, so ist es unsere Aufgabe, ihn eines Besseren zu belehren”. Die eingesetzten Methoden der sip bezeichnet er als “kommunizierte Repression”.
1990 entstanden nach einem entsprechenden Gemeindebeschluss zu Zeiten der offenen Drogenszene, Angebote wie die Notschlafstelle und die Kontakt- und Anlaufstellen für Drogenkonsumierende. Dieser Gemeindebeschluss zur Überlebenshilfe bildet die Rechtsgrundlage für die im Jahr 2000 eingeführte Benimm-Truppe, die sip züri. Die Gemeinde habe 1990 mit dem damaligen Beschluss “dem Gemeinderat die Kompetenz delegiert, für weitere städtische Einrichtungen und Projekte mit dem gleichen Zweck neue Ausgaben ohne Ausgabenbegrenzung zu bewilligen”. Ein Fass ohne Boden also. So startete die sip mit 6.4 Stellenwerten und einem Budget von CHF 1’267’000.– und ist heute bei 33.9 Stellenwerten angekommen, mit einem Budget von CHF 4’179’700.–.
Paternalistische Verhaltenspolizei
Aus Sicht der AL hat soziale Arbeit nichts mit repressivem Ordnungsdienst zu tun. Der Gemeindebeschluss aus dem Jahr 1990 ermöglicht weiterhin wichtige Angebote wie die Notschlafstelle, der neu vorgelegten Weisung aber stehen wir kritisch gegenüber. Für einen öffentlichen Raum der partizipativ, demokratisch und inklusiv ist, braucht es keine paternalistische Verhaltenspolizei.
Ezgi Akyol, Gemeinderätin AL
Aus: Zürich West, 11.07.2016