Beim Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) geht es nicht um die Finanzierung, diese ist gesichert, das sagen Leute, die mehr verstehen als ich. Mir scheint es lächerlich, in Zeiten von Datenlecks und professioneller Steuerhinterziehung auf der einen Seite und Reformen (= Senkung) der Unternehmenssteuer, auf der anderen Seite, die Angst vor der Finanzierung heraufzubeschwören: Das Geld ist vorhanden und wir können es uns leisten, allen ein Grundeinkommen auszuzahlen, und zwar bedingungslos und existenzsichernd. Alle beziehen bereits heute ein Grundeinkommen. Vom Staat oder einem Arbeitgeber. Aber dieses ist an Bedingungen geknüpft. Bedingungen, die vor allem dort prekär sind, wo es um die tiefsten Löhne geht: Menschen sind aus Existenzangst gefangen in Bullshit-Jobs und sie arbeiten sich arm, zum Preis der Unzufriedenheit. Hier setzt das Grundeinkommen an. Wir haben in einer Zukunft mit Grundeinkommen, bei Arbeit, die keiner freiwillig machen will, folgende Optionen: Automatisierung, bessere Löhne zahlen, selber machen. Vollbeschäftigung ist nicht mehr möglich, eine Illusion, der wir ins Auge sehen, und eine Herausforderung, die wir mit dem Grundeinkommen entschärfen können. Ganz viel Arbeit ist unbezahlt. Wer will, findet in der freiwilligen Arbeitswelt eine sinnvolle Beschäftigung – neu mit einer gesicherten Existenz. Ich glaube die heutige Stigmatisierung bei Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern wird unterschätzt. Wer aktuell staatliche Unterstützung bezieht, ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung weniger wert. Mit dem BGE entfällt die Rechtfertigungspflicht und das schafft Selbstvertrauen. Das BGE würde auch hier positive Impulse bewirken. Selber bestimmen, in welche Beschäftigung wie viel Energie investiert wird, statt staatlich verordneter Beschäftigungszwang zu Dumpingpreisen. Dieser Möglichkeit sollten wir eine Chance geben. Beim Grundeinkommen geht es nicht um die eigene Freiheit – die meisten würden ihren bezahlten Job behalten – es geht darum, ob wir den anderen diese Freiheit auch zugestehen wollen. Gut möglich, dass wir dazu noch nicht reif sind, nötig ist es allemal und kommen wird es sowieso irgendwann. Darum am 5. Juni überzeugt JA zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Dayana Mordasini
Keine Frage: Wir könnten es uns leisten. Und wir gehören auch nicht zu denen, die glauben, dass niemand mehr arbeiten würde, wenn das Grundeinkommen da wäre. Eine linke Kritik am Grundeinkommen wirft andere Fragen auf. Nämlich die nach Risiken und Nebenwirkungen der Vorlage. Während die Zeit vielleicht reif wäre für die Idee an sich, ist die Initiative unausgegoren. Bei einer so offen formulierten Initiative bleiben viele der Folgen, die diese haben könnte, schwer absehbar. Es kann jedoch spekuliert werden, das die schlussendliche Umsetzung – durch das rechts-bürgerliche Parlament, dass wir nun einmal haben – schwerlich in unserem Sinne sein wird. Während das Bedingungslose Grundeinkommen auf ein Minimum festgelegt würde, könnte es trotzdem als Anlass genommen werden, die Grundrechte, die uns vor dem Raubtierkapitalismus schützen, Schritt für Schritt abzubauen. Denn das Grundeinkommen liefert ein gutes Argument, um sowohl die Abschaffung der Arbeitsrechte als auch des Sozialstaats zu fordern. Arbeitslosenkasse, Sozialhilfe, AHV? Warum auch? Schliesslich ist die Existenz aller gesichert. Und im Initiativtext steht nichts, was das verhindern könnte. Und während sich die Initiative als ein Weg präsentiert, etwas Positives aus dem fortschreitenden Ersetzen von Arbeitskräften durch Maschinen zu ziehen, rechnet sie nicht ein, dass dieser Prozess schlussendlich vor allem noch Jobs für qualifiziertere Arbeitskräfte übrig liesse. So gesehen ist es nachvollziehbar, dass die WOZ die Frage stellt, ob das Grundeinkommen eine linke oder eine rechte Utopie sei. Auch die Idee, das Grundeinkommen über die Mehrwertsteuer zu finanzieren, wie die Initianten vorschlagen, hat ihren Haken: denn die Preise sollten in diesem Szenario nicht steigen. Zum Ausgleich müsste bei den Lohnkosten gespart werden. Die arbeitende Bevölkerung würde sich ihr BGE also selbst finanzieren. Der Plan der InitiantInnen sieht also keine Umverteilung nach unten vor. Dabei würde es anders gehen: Warum nicht etwa eine Steuer auf Geldtransakionen einführen? Die Idee eines Grundeinkommens, das den Menschen lediglich das nackte Überleben sichert ist, von links aus gesehen untauglich. Und früher oder später braucht es einen ausgefeilteren Vorschlag für diese im Grunde durchaus solidarische Idee.
Corin Schäfli
Grundeinkommen – Ja, aber…
Endlich ist es raus: Die AL hat die Parole zum Bedingungslosen Grundeinkommen gefasst. Die kontroverse Debatte dazu überraschte niemanden - das eindeutige JA schon. Dayana Mordasini und Corin Schäfli zeigen den Kontrast zwischen der revolutionären Idee und der mangelhaften Initiative auf.