Von Niggi Scherr
«Bei Elmer interessieren sich viele nicht für die Fakten. Er polarisiert und wird dann – je nach Meinung – instrumentalisiert: Für die einen ist er ein Robin Hood, der die ‹Gnomen von Zürich› in die Knie zwingt. Dieses Bild wird vor allem in der internationalen Presse von ihm gezeichnet. Für die anderen, besonders in der Schweiz, ist Elmer ein Nestbeschmutzer, ein Verräter. Die Schweizer Medien reagieren unglaublich allergisch auf ihn. Seit jeher herrscht die kollektive Meinung, dass Elmer ein Sauhund sei. Vielleicht bringe ich auch deshalb eine gewisse Empathie für Ruedi auf, weil ich als linker Politiker früher selber ähnlich verunglimpft wurde. Wobei das für mich nie so schlimm war wie für ihn: Wenn man von Beginn weg in der Opposition steht, dann ist das etwas anderes, als wenn man einem System abtrünnig wird wie Elmer. Dann erhält die Ächtung eine andere Qualität. Deshalb wurde Elmer von den Medien auch immer so stark psychologisiert. Man fragte sich: Wie kann einer aus diesem Bankerparadies so abdriften? Dieser Mensch musste ein Versager sein, einer mit negativen Motiven.
Als der Prozess im Januar 2011 anstand, erhielt ich am Vortag einen Anruf von einem Journalisten des Schweizer Fernsehens. ‹Herr Scherr›, sagte er mir, ‹ich habe verfolgt, was Sie politisch so machen und ich finde, Sie sind ja eigentlich eine ganz seriöse Person. Aber warum machen Sie jetzt eine Pressekonferenz für so einen Kriminellen?› Das war wie ein Ratschlag: Halten Sie sich fern von diesem Verbrecher! Immer wieder kamen Leute zu mir und sagten: ‹Niggi, da kannst du dir nur die Finger verbrennen.›
AL-Medienkonferenz mit Ruedi Elmer im Kanzlei (19. Januar 2011)
Aber ich habe mich immer gefragt, warum Elmers Person so stark im Vordergrund steht, und nicht seine Enthüllungen. Rudolf Elmer war so etwas wie ein Whistleblower zur Unzeit: Als er Missbräuche meldete, wurde er nicht gehört. Die Steuerbehörden und die Medien wollten nichts davon wissen. Dann kam die Verfolgung seiner Familie. Aber auch das interessierte niemanden. In den Nullerjahren waren die Schweizer Banken einfach über jeden Zweifel erhaben. Für Elmer war das zu Beginn also wirklich vor allem eine persönliche Geschichte. Er hatte das Bedürfnis, eine Ungerechtigkeit zu beseitigen, sich gegen die Einschüchterungen der Bank zur Wehr zu setzen. Erst schrittweise kam das Anliegen, auch strukturelle Probleme des Finanzsektors offenzulegen. In den mehr als zehn Jahren, die das Ganze schon andauert, war Elmer in meinen Augen immer wieder von einem Motiv geleitet: Er muss sich und seine Familie schützen. Die Öffentlichkeit ist für ihn ein Mechanismus, mit dem er einen Trumpf in der Hand hält: Wenn ihr mich weiter drangsaliert, dann verrate ich eure Geheimnisse.»
Carlos Hanimann: Elmer schert aus. 141 Seiten. Echtzeit Verlag 2016. ISBN 978-3-905800-43-2
Flyer zum Film “Offshore. Elmer und das Bankgeheimnis”
“Den Ruedi will man hängen, den Kaspar lässt man laufen” (AL-Protest vor Bezirksgericht 19.1.2011)