Sehr geehrte Mitglieder des Kantonsrates
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident
Sehr geehrte Damen und Herren Regierungsräte
Es freut mich sehr, dass ich heute Morgen zu einer Veranstaltung zurückkehre, an der ich in den 80er-Jahren fast jeden Montag teilnahm: Auf den Sitzen dort unten. Meines Wissens war noch niemand von Ihnen da.
Damals als junge Redaktorin hatte ich keine Kinder. Später ging es darum, Beruf und Familie auf eine glückliche Art zu verbinden. Weil mein Mann und ich gleich hohe Löhne, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit und eine tolle Krippe in der Nähe hatten, war das bis zum Kindergarteneintritt der ersten Tochter gut möglich. Dann kam die Steinzeit. In Bülach, wo ich wohne, gab es in den 90er-Jahren noch keine schulergänzende Betreuung.
Wir wissen alle, dass die Gemeinden heute genügend Plätze für Kinder aller Altersstufen bereitzustellen haben. Mit unterschiedlichem Erfolg. An Orten, wo Frauen es gewohnt sind, als Mütter ihre Erwerbsarbeit auf ein Minimum zu beschränken und vielleicht noch Grosseltern zum Kinderhüten haben, braucht es nur wenige Betreuungsplätze. Wo es wenige Betreuungsplätze hat, ziehen Eltern, die höhere Arbeitspensen wollen oder brauchen gar nicht erst hin. Oder sie jonglieren mit Nannys, Verwandten und täglich wechselnden Lösungen.
Auch in Gemeinden, wo dank der Anschubfinanzierung des Bundes neue Kitas entstanden sind und mittlerweile sogar ein Konkurrenzkampf unter den privaten Anbietern besteht, sind wir noch weit davon entfernt, Vätern und Müttern eine entspannte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie bringt es auf den Punkt:
Anders als in den Nachbarländern, wo die Eltern maximal 25 Prozent der Kosten selbst tragen, sind es bei uns 66 Prozent. Wenn Eltern 2 ½ Tausend Franken monatlich zahlen, um zwei Kinder an drei Tagen pro Woche in der Kita betreuen zu lassen, oder 4000 Franken für fünf Tage, ist das schlicht und einfach zu viel.
Sagen Sie nun nicht, dass man einfach die Krippenkosten senken kann. Die Vollkosten für einen Kitaplatz sind bei uns nicht höher als in den Nachbarländern, wie die Studie des Bundes zeigt, und die Löhne des Personals, die 75 Prozent der Kita-Kosten ausmachen, sind heute schon tief. Gute Kinderbetreuung hat ihren Preis, und wenn schon gibt es im Interesse von Kindern, Eltern und Personal eher Luft nach oben statt nach unten.
Ein Blick in die Romandie zeigt, dass die Waadtländer Eltern deutlich besser dastehen als die Zürcher Eltern: Sie tragen nicht 66, sondern 38 Prozent der Kosten selbst. Dies, weil sich in der Waadt – mitinitiiert notabene von einer freisinnigen Politikerin – auch die Arbeitgeber an den Kosten der Kinderbetreuung beteiligen, genauso wie in den Kantonen Freiburg und Neuenburg. Der Weg, den wir Ihnen vorschlagen, wird also in der Westschweiz schon mit Erfolg praktiziert.
Meine Damen und Herren, mit der VI „Bezahlbare Kinderbetreuung für alle“ soll ein Betreuungsfonds geschaffen werden, in den die Betriebe über die bestehenden Familienausgleichskassen 2 bis 5 Promille der AHV-pflichtigen Lohnsumme einzahlen.
Wir vom Initiativkomitee finden es richtig und notwendig, dass sich neben Eltern und Gemeinden auch die Betriebe an der Kinderbetreuung beteiligen. Den Unternehmen nützt es, wenn ihre Angestellten bezahlbare Betreuungsplätze finden. Gut eingearbeitete Frauen bleiben ihnen erhalten, die Fluktuation sinkt, die Zufriedenheit steigt. Firmen, die bereits heute ihre Verantwortung für Kinderbetreuung wahrnehmen, werden im entsprechenden Umfang von der Abgabe befreit. Und im Vergleich zu den Nachbarländern, wo die öffentliche Hand deutlich mehr als bei uns für Kinderbetreuung investiert, zahlen dafür bei uns die Firmen tiefere Unternehmenssteuern und werden in absehbarer Zukunft noch weiter entlastet.
Für die Unternehmen ist die Einlage in den Betreuungsfonds eine gute Investition in die Zukunft. Für den Kanton ist die Umsetzung nicht sonderlich kompliziert. Für die Eltern sind die rund 120 Millionen Franken pro Jahr, die so zusammenkommen, von grosser Bedeutung. Damit werden sie in allen Gemeinden des Kantons spürbar von finanziellem Druck befreit. Damit können ausserdem Kitas und Horte in Reichweite geschaffen und Kitas mit Ausbildungsfunktion unterstützt werden.
Vertrösten Sie deshalb bitte die Zürcher Eltern nicht mit den vom Bund in Aussicht gestellten 100 Millionen Franken für Kinderbetreuung – verteilt über mehrere Jahre und 26 Kantone. Diese sind nur ein zusätzlicher Tropfen auf den heissen Stein. Und sagen Sie auch nicht, dass Sie unser Anliegen teilen, nur den Weg dazu nicht, ohne eine vergleichbare Lösung zu präsentieren. Sonst treten wir an Ort.
Unsere Initiative bietet die Lösung für ein Problem, das viele Menschen in ihrer Lebensführung empfindlich einschränkt und die gleichwertige Präsenz von Frauen und Männern im Arbeits- und öffentlichen Leben noch immer erschwert. Der Verband Kinderbetreuung Schweiz erachtet sie als wegweisend für andere Deutschschweizer Kantone. Auch das Netzwerk Kinderbetreuung und die Schweizerische UNESCO-Kommission fordern, dass sich Staat und Wirtschaft finanziell stärker und verbindlich für die frühe Kindheit engagieren, um den Kostenanteil der Eltern zu senken.
Meine Damen und Herren: Stoppen wir den volkswirtschaftlichen und menschlichen Unsinn, dass Frauen gute Ausbildungen machen – an der Uni sind sie mittlerweile in der Mehrheit – und sich dann doch nicht befriedigend mit ihren Qualifikationen einbringen können, wenn sie Mütter werden. Ermöglichen wir es den Müttern und Vätern, ob alleinerziehend oder in Partnerschaft, Beruf und Familie auf die für sie stimmige Art und Weise zu vereinbaren – ohne Dauerstress und mit Luft zum Leben. Bezahlbare, erreichbare und qualitativ gute Betreuungsplätze sind eine wichtige Grundlage dazu.
Ich danke Ihnen für die Unterstützung unserer Initiative.
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