Bei der Ausschaf(f)ungs- und jetzt bei der «Durchsetzungs»-Initiative operiert die Sünnelipartei mit dem einprägsamen Bild vom weissen und vom schwarzen Schaf. Woher kommt eigentlich die Redewendung vom «schwarzen Schaf»? Ich dachte spontan an die Bibel. Wie immer, liefert wikipedia die Erklärung:
«Die Redewendung geht auf die Wertmaßstäbe der Schafzucht zurück, wonach die Wolle weißer Schafe als wertvoller anzusehen ist, da sie sich einfacher färben lässt. Die Wolle eines einzigen schwarzen Schafes dagegen senkte die Wollqualität der ganzen Herde, weshalb solche Tiere schon in der Zucht, wenn möglich, aussortiert wurden.
Schwarze Schafe, die in der Herde weißer Schafe zudem auch noch besonders auffallen, sollen aus diesen Gründen bei Schäfern, deren Betrieb auf die Wollproduktion ausgerichtet ist, sehr unbeliebt sein und in der Regel keine hohe Lebenserwartung haben, weil sie rasch ausgesondert und geschlachtet werden.»
So weit, so klar. Hier spielt die Logik der Marktwirtschaft. Es geht um Selektion zwischen mehr- und minderwertiger Ware. Von daher passen die Schäfchenplakate perfekt ins Weltbild der Herrenvolk-Partei. Allerdings stellen sich einige knifflige Fragen:
- Weisse Schafe sind wertvoller, weil ihre Wolle sich leichter einfärben lässt. Aber hat eigentlich einer die weissfelligen gefragt, ob sie einverstanden sind, dass ihre Wolle post mortem beliebig – zum Beispiel braun – eingefärbt wird?
- Auf den SVP-Plakaten kickt ein weisses Schaf ein schwarzes in den Strafraum der Ausschaffung. Da stimmt doch etwas nicht! Für das Aussondern und Schlachten der minderwertigen dunkelfelligen Schafe ist doch der Schäfer zuständig, nicht das Schafsvolk. Wie können die weissen Schafe überhaupt wissen, dass die schwarzfelligen auf dem Markt weniger wert sind?
- Und überhaupt: ob weiss oder schwarz, es bleiben allemal Schafe. Weit und breit nur blökende Schafe! Das gibt mir echt zu denken. Ohne einen guten Hirten kann das Ganze ja gar nicht funktionieren. Vielleicht braucht es sogar einen Oberhirten!
“Kein Wort an Zottel” (Tagesanzeiger 3. Februar 2016)
P.S. Es gibt übrigens auch clevere Schäfer, die sich schwarze Schafe zu nutzen machen, wie der geneigte Leser ebenfalls aus wikipedia erfährt:
«So führen Schäfer in der Lüneburger Heide gerne einige schwarze Schafe in ihrer Herde mit, weil sich die Herde dann nicht mehr so leicht durch Wildschweine verunsichern lässt. Wildschweine treten nachts auf die Weiden, um im Boden nach Nahrung zu suchen, interessieren sich dabei im Grunde aber gar nicht für die Schafe und stellen auch keine Gefährdung dar. In Herden ohne schwarze Schafe kann aber eine Panik auftreten, weil die Wildschweine einen Fluchtreflex auslösen. Sind die weißen Schafe jedoch an die regelmäßige Anwesenheit schwarzer Artgenossen gewöhnt, die den Wildschweinen in ihren Augen ähnlich sehen, bleiben sie auch dann ruhig, wenn Wildschweine auftauchen.»
Niklaus Scherr