Die SVP hat ein Problem. Landauf, landab sieht sie sich im Abstimmungskampf mit der Tatsache konfrontiert, dass sie mit ihrer «Durchsetzungs»- und Rausschmeiss-Initiative auch Hunderttausende von Secondos und Secondas ins Visier nimmt, die hier geboren, aufgewachsen und in die Schule gegangen sind. Menschen, die, unabhängig von ihrem Pass, hier ihre Wurzeln haben, kann man nicht wie Unkraut ausreissen. Man kann sie nicht faktisch ausbürgern und in ihr vermeintliches «Heimatland» exilieren, zu dem sie keinerlei Bezug haben. Das leuchtet durchaus auch SVP-Sympathisanten ein. Welcher SVP-nahe Berufsschullehrer oder Lehrmeister kann sich vorstellen, dass es für einen seiner Stifte «Kosovo einfach» oder «Spanien einfach» heissen soll, wenn er etwa bei der Lehrabschluss-Fête oder im Suff an einer Party über die Stränge gehauen und ein Delikt begangen hat?
Vogt soll Initiative schönreden
Was tun, um von diesem offensichtlichen Schwachpunkt der Entrechtungs-Initiative abzulenken? Blöd sind sie ja nicht, die PR-Manager und spin doctors der SVP. Jetzt muss der Vorzeige-Softie Hans-Ueli Vogt ran. Zwar hat er sich im Abstimmungs-Extrablatt der SVP eben noch vorbehaltlos hinter die Initiative gestellt und ihr bescheinigt: «Verhältnismässigkeit ist gewahrt». Jetzt aber kommen ganz neue Töne: «Wenn Sie den Fall der Secondos ansprechen», doziert der Jus-Professor gegenüber der Schweiz am Sonntag, «bin ich der Meinung, dass die Initiative so ausgelegt werden muss und soll, dass es bei in der Schweiz geborenen Ausländern nicht zu einer Ausschaffung kommt. Secondos gehören zwar nicht zur Gemeinschaft der Schweizer Bürger, aber sie gehören zu unserer Rechts- und Sozialgemeinschaft. Aus dieser Gemeinschaft können und sollen wir Menschen nicht ausschliessen. Wer hier geboren ist, soll auch nach einer Annahme der Durchsetzungsinitiative in der Schweiz bleiben dürfen.»
Das ist natürlich Humbug und widerspricht klar dem Inhalt der Initiative. Mit diesem doppelten juristischen Rittberger gibt sich Vogt noch liberaler als das Parlament mit der von der SVP erbittert bekämpften Umsetzungsvorlage. Um den Secondos gegenüber wenigstens e birebitzeli Rest-Humanität zu wahren, hat dieses eine äusserst restriktive Härtefallklausel eingebaut, die dem Gericht «ausnahmsweise» erlaubt, «der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind».
SVP spielt good guy – bad guy
Hier wird offensichtlich das Spiel good guy – bad guy gespielt. Vogt gibt den Part des weltoffen-verständnisvoll-toleranten Intellektuellen. Er soll die Mitte-Wählenden, die mit der Rausschmeisser-Initiative liebäugeln, bei der Stange halten. Ihnen wird signalisiert: du kannst an der Urne ruhig ein Zeichen setzen, die Sache wird dann doch nicht so heiss gegessen. Den Part des bad guys für die Stammtische von Schwamendingen bis Bümpliz gibt dann im Konter-Interview der Ayatollah von Herrliberg persönlich. Nix Kuscheln mit den Secondos, die Initiative muss buchstabengetreu durchgesetzt werden! Durchsetzung: So steht es ja schon im Titel! Und als Pfarrerssohn weiss C.B. schliesslich, dass die zehn Gebote ohne Wenn und Aber gelten und keiner professoralen Auslegung bedürfen…
Die Bundesverfassung ist keine Spielwiese
Wer am 28. Februar abstimmt, sollte sich bewusst sein: Die schweizerische Bundesverfassung ist keine Spielwiese, auf der man sich ein bisschen austoben und ein Zeichen setzen kann. Sie ist keine Latrine, die man anpissen kann. Sie ist unser Grundgesetz, das verbindlich unser Zusammenleben regelt. Und das soll sie bleiben.
Niklaus Scherr