Es ist fast nicht mehr zu ertragen. Erst wochenlang die Meldungen über Hunderte von ertrunkenen Menschen im Mittelmeer, dann die 71 Erstickten im Mini-LKW, jetzt der tote Junge am Strand. Dazwischen die vielen Bilder von Verzweifelten am Budapester Bahnhof, von Verletzten im mazedonischen Stacheldraht. Kaum hat man sich ein leichtes Umdenken erhofft (die deutsche Regierung setzt tatsächlich Dublin ein bisschen ausser Kraft), wird schon wieder berichtet, dass glücklicherweise die Schlepper des toten Jungen gefasst wurden. Und es werden mit Sicherheit bald wieder wirksame Massnahmen gegen die „kriminellen Schleuser“ gefordert. Dabei sitzen die Verantwortlichen dieser menschlichen Tragödie ganz woanders: in Brüssel, auf den europäischen Parlaments- und Regierungs-Sesseln, in unserem Bundeshaus.
In der Schweiz, aber auch in der EU haben die Behörden systematisch darauf hingearbeitet, jede legale Flucht zu verunmöglichen, jede Einreisemöglichkeit nach Europa zu verhindern. Als dann die hermetische Festung stand, wurde noch die allerletzte Möglichkeit für Verfolgte, das Botschaftsasyl, eliminiert. Und jetzt sind plötzlich auch die Macher dieser unmenschlichen Politik über die Bilder des LKWs und des toten Jungen schockiert. Und werden mit Sicherheit bald wieder die Bekämpfung der Schlepperbanden fordern – der einzig übriggebliebenen Reisemöglichkeit für Kriegsflüchtlinge. Ich empfinde abgrundtiefe Abscheu gegenüber dieser zynischen Politik, die das Schlepperwesen erst hervorgebracht hat.
Sicher: für viele Tragödien dieser Welt ist es schwierig, positive Lösungsansätze zu erkennen. Etwa beim Syrien-Krieg. Doch das Leid von Hunderttausenden von Kriegsflüchtlingen und Verfolgten könnte gemildert werden, wenn ein paar einfache Massnahmen getroffen würden:
- sofortige Einführung der Möglichkeit, online einen Asylantrag zu stellen oder zumindest die Wiedereinführung des Botschaftsasyls;
- legale Reisemöglichkeiten ermöglichen, damit die Menschen nicht mehr die gefährlichen Routen via Balkan oder Mittelmeer antreten müssen;
- Schengen / Dublin ausser Kraft setzen, damit jeder Flüchtling die Möglichkeit hat, da ein Asylgesuch zu stellen, wo er / sie Verwandte hat;
- Tolerierung des Privatasyls;
- Aufhebung der Arbeitsverbote für Asylbewerber und vorläufig Aufgenommene.
Es bleibt nur die Hoffnung, dass die furchtbaren Bilder etwas auslösen, dass heute Samstag Tausende an die Demo in Zürich strömen und die fremdenfeindlichen Kräfte am 18. Oktober eine herbe Niederlage einstecken. Vielleicht ein frommer Wunsch, aber anders wäre es gar nicht mehr zu ertragen.
Meh Pfupf Nr. 3 als PDF