Der Staatstrojaner
Windows-BenutzerInnen können ein Lied davon singen: Trojaner nerven! Über Trojaner verschaffen sich Kriminelle Zugriff auf einen Computer, können Daten stehlen und den Computer steuern. Ein Instrument, das auch die Polizei gern einsetzen möchte. Die aktuelle Regelung zum Einsatz ist unklar und umstritten. Das hindert die Polizei aber nicht, schon jetzt Trojaner zu beschaffen. Ein Beispiel ist der Skandal um den Kauf einer Trojaner-Software durch die Zürcher Behörden. Er zeigt exemplarisch die Probleme, die ein Trojaner mit sich bringt.
Der bei einer externen Firma gekaufte Trojaner hatte ein Backdoor, einen elektronischen Hintereingang, eingebaut, mit dem die Firma selber auf die befallenen Computer zugreifen konnte. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Trojaner bestehende Sicherheitslücken ausnützen und selber ein Tor für den Fernzugriff öffnen muss. Um den Trojaner erfolgreich ins Ziel zu setzen, müssen bisher unbekannte Sicherheitslöcher gefunden werden. Diese erhält man auf dem Schwarzmarkt, womit direkt kriminelle Milieus mitfinanziert werden.
Die Vorratsdatenspeicherung
Bei der Vorratsspeicherung werden die Verbindungsdaten gespeichert. Dabei wird aufgezeichnet, wer wann mit wem wo kommuniziert hat. Darunter fällt, wann sich welcher Computer ins Internet eingeloggt hat, mit wem telefoniert oder wem eine E-Mail geschickt wurde. Bisher wurden diese Daten sechs Monate gespeichert, neu sollen es zwölf Monate sein. Internet- und Telefonprovider sind verpflichtet, diese Daten aufzuzeichnen. Damit wird die Überwachung auf Vorrat weiter ausgedehnt. Mittels der Daten sind komplette Bewegungsprofile möglich. Noch problematischer wird die Speicherung, wenn parallel im neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) die Geheimdienste direkten Zugriff auf alle so gespeicherten Daten erhalten. Dann geht es nicht mehr nur um die Aufklärung von Verbrechen, sondern um die geheimdienstliche Überwachung der Bevölkerung – flächendeckend, auf Knopfdruck! Der Europäische Gerichtshof hat für die EU bereits eine sechsmonatige Vorratsspeicherung als Verstoss gegen Grundrechte für unzulässig erklärt.
Die Pflicht zur Mithilfe
Bisher waren nur grosse Anbieter wie Internet- und Telekommunikationsprovider zur Zusammenarbeit verpflichtet. Neu sind auch Betreiber von Foren oder E-Mail-Anbieter in der Schweiz angehalten, Daten aufzuzeichnen. Das bedeutet einen massiven Mehraufwand für diese meist kleineren Anbieter. Die grosse Konkurrenz sitzt im Ausland und ist von den Auflagen nicht betroffen, was automatisch zu einem grossen Wettbewerbsnachteil für lokale IT-Unternehmen führt. Offen ist noch, was diese Reglementierungen für kleinere Anbieter von Netzzugängen bedeutet. Mit dem neuen Gesetz wäre es möglich, bei allen öffentlichen W-LAN eine Registrierungspflicht einzuführen. Eine Bar kann dann nicht mehr einfach einen W-LAN-Router aufstellen und das Passwort den Kunden mitteilen, sondern müsste eine Registrierungsmöglichkeit einbauen – für viele kleine Beizen und Hotels ein massiver technischer und finanzieller Aufwand. Konsequenterweise müsste dann im Internet-Café der Ausweis gezeigt werden. Darf der WG-Mitbewohner nur noch gegen Vorweisen des Passes meinen Laptop benutzen – wie in einem weissrussischen Internetcafé? Hier zeigt sich, wie absurd die Überwachungsbestrebungen sind und was für seltsame Blütern die Datensucht der Behörden treiben kann.
Nein zum BÜPF und Nein zum NDG
Die Revision schiesst mehrfach über das Ziel hinaus. Es bringt eine vorsorgliche Total-Überwachung aller Personen. Dabei wird tief in den privaten Raum eines Jeden eingedrungen und es sollen Technologien eingesetzt werden, die höchstbedenklich sind und neue Sicherheitsprobleme schaffen. Dass nach all den Skandalen der letzten Jahre ein solches Gesetz vorgeschlagen wird, zeigt, dass die politischen Entscheidungsträger sich nicht um die Realitäten und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger kümmern – oder sie schlicht nicht verstehen. Bezeichnend, dass praktisch alle Jungparteien von links bis rechts gegen das BÜPF sind – die Jüngeren leben im Hier und Jetzt und sind sich der Risiken bewusst, während die ältere Generation scheinbar nur eine Antwort auf die Risiken der Vernetzung hat: möglichst viel überwachen. Retten wir sie vor dem Ertrinkungstod in der Datenflut und bekämpfen wir das BÜPF und das Nachrichtendienstgesetz!
David Berger
Aus AL-Info/1505