Zürich erhalte jetzt ein Stadtmuseum. Das ist falsch. Zürich im Landesmuseum (ZiL) ist kein Museum, sondern eine inszenierte Markenwelt. Was das noch mit Kultur zu haben soll, ist unergründlich. Statt Kunst und Kultur zu fördern und zu erhalten, verschiebt sich der Fokus städtischer Kulturpolitik immer mehr zur Kulturvermittlung und Kunstkommunikation. Kultur wird zum Standortmarketingfaktor degradiert. Das ist gefährlich.
«Die Sammlung ist die Grundlage eines jeden Museums» steht auf der Webseite des bernischen historischen Museums, das rund 500’000 Objekte besitzt. Und International Council of Museums (ICOM) definiert ein Museum als eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt. Das ist doch das Wesentliche eines Museums: Die Möglichkeit ein einzigartiges Objekt mit allen Sinnen in Raum und Zeit zu erleben. Jeder kann sich durch die Gauguin-Bilder auf dem Bildschirm klicken, aber das ist doch kein Ersatz für den Besuch der Ausstellung in der Fondation Beyeler.
Das ZiL hat keine Sammlung und kann nichts davon bieten, will es auch gar nicht. Selbst die Macher bekennen, dass das Meiste auf elektronischem Weg geschehe. Das heisst konkret: Nach einem kurzen ZiL-Besuch sollten Interessierte dann noch mit einem Tablet oder Smartphone weiter durch die Stadt ziehen und die richtigen, einzigartigen Dinge bestaunen. Dafür braucht es heute keinen physischen Ort mehr. Das ZiL ist ein anachronistischer Wegweiser, ein Tourismus-Center oder eine inszenierte Markenwelt, aber ganz sicher kein Stadtmuseum. Ganz abgesehen davon ist das Landesmuseum Zürich schon heute auch dasjenige von Stadt und Kanton Zürich.
Wer heute durch ein Museum schlendert, stellt fest, dass sich die Präsentation der Exponate in den letzten zehn, zwanzig Jahren an vielen Orten verändert hat. Vielleicht waren die traditionellen Museen in der Tat etwas verstaubt und der «Warendruck» etwas hoch. Kaum jemand kann etwas dagegen haben, wenn die Museumsmacher versuchen, ihre Sammlungen etwas attraktiver zu gestalten. Aber «Form follows Function» heisst das eherne Design-Gesetz, woran sich aber eben nicht immer alle Designer halten. Und so sehr man sich darüber ärgern konnte, wenn früher in Museen die Beschreibungen beispielsweise nur in Griechisch abgefasst waren, so übertrieben sind heute manchmal die Showelemente, welche die eigentlichen Gegenstände zunehmend in den Hintergrund drängen. Dieser Trend macht auch vor der städtischen Kulturförderung nicht halt. Ein Grossteil der Gelder beispielsweise, die für den Legislaturschwerpunkt Kultur- und Kreativwirtschaft zur Verfügung gestellt worden sind, flossen in Aufwendungen für die Kulturkommunikation, -vermittlung und der internationale Positionierung Zürichs. Kultur wird damit zum Standortfaktor degradiert.
Das ist gefährlich. Kultur schafft zuerst ideelle und nicht materielle Werte. Oder wie es Urs Bühler kürzlich in der NZZ so treffend formuliert hat: «Die Seuche, Kulturnutzen als Wirtschafts- und Standortfaktor zu definieren, grassiert schon genug. Die Gesellschaft muss sich eine Förderung dieses Elixiers leisten wollen; nicht, weil es die Wirtschaft ankurbelt, sondern im Wissen, dass sie ohne dieses saft- und leblos wäre.» Während also beispielsweise das Art Dock als Hüter zürcherischen Kulturschaffens einen permanenten Kampf führen muss, sich Filmemacher über knappe Mittel beschweren oder die Lesegesellschaft Wollishofen, immerhin der älteste Verein Wollishofens, wohl bald dichtmachen muss, weil ihr keine städtischen Mittel mehr gewährt werden, inszenieren sich Zürich und die Stadtoberen multimedial und nennen es «Kultur». Wer unter Kulturförderung die Unterstützung des Schaffens, nicht des «Showens» versteht, stimmt deshalb Nein zum ZiL.
Und zu guter Letzt ist das ZiL ein finanzpolitisches Unding. Noch an der letzten Budgetdebatte haben Parteien von links bis rechts betont, dass wir uns künftig auf Notwendiges konzentrieren müssen und das Wünschenswerte zumindest für den Moment bleibenlassen sollten. Das ZiL ist aber geradezu die Definition von etwas Wünschenswertem. Wenn wir Geld für das ZiL ausgeben wollen, weiss ich beim besten Willen nicht mehr, wo wir dann sparen sollten.