Zwar sieht man vom künftigen Bauplatz am Hornbach aus vor lauter schönen alten Bäumen am Zürichhorn den See fast nicht, auch sorgt die vierspurige Bellerivestrasse kräftig für störenden Lärm. Trotzdem beharren die Hornbach-Gegner auf der speziellen „Seesicht“ des Areals.
Seesicht hat ihren Preis
Das hat seinen Grund. Tatsächlich bestimmen 3 „S“ den Preis von Grund und Boden im Kanton: die S-Bahn-Fahrzeit bis zum HB, der Steuerfuss und eben die Seesicht. Experten der ZKB haben 2008 für die Studie „Wertvoller Boden“ berechnet, was das pro Hektare sichtbaren Sees ausmacht: 2000 ha Zürisee-Sicht erhöhen den Landwert um 20%. Und die Tüftler vom Geographischen Informationssystem (GIS) des Kantons haben – allerdings nur für internen Gebrauch – sogar das spezielle Tool „Seesicht im Kanton Zürich“ (GIS-ZH Nr. 225) entwickelt, mit dem man berechnen kann, wieviele km2 Fläche des Zürich-, Greifen- oder Pfäffikersees man von jedem Punkt im Kanton aus sehen kann.
Unverbaubare Gleissicht: die urbane Alternative
Als innenstädtisches Pendant zur Seesicht gibt es die unverbaubare Gleissicht, derzeit besonders en vogue bei den Maklern von überteuerten Luxuslogen der volkseigenen SBB AG. Gleissicht vermittelt die ultimative Gewissheit, dass einem hinter den sieben Gleisen keiner auf den nächsten 200 m mit einem Haus die Aussicht verbaut. In den oberen Stockwerken wird sie meist parallel vermarktet mit der freien Sicht auf den Sonnenaufgang über den Glarner Alpen.
Geiger: Schlechte Standorte für die Armen
Wie das „ganz besondere Gut“ Seesicht – so die ZKB-Studie – korrekt vermarktet wird, erklären uns neoliberale Wanderprediger der Marktmiete wie Martin Geiger, einer der Erfinder der sogenannten „hedonischen“ Bewertungsmethode: „Im Grunde sind die Preise fast aller Güter Genusspreise, doch kaum irgendwo spielt diese Tatsache eine so entscheidende Rolle wie im Wohnungsmarkt. Geniesst der Mieter das Mietobjekt, so ist er von sich aus bereit, deutlich mehr zu zahlen, als für die Verzinsung der Kosten des Vermieters notwendig wäre.“ Geigers Schlussfolgerung daraus ist bestürzend simpel: „Auf den schlechten Standorten wohnen die Armen, auf den guten wohnen die Reichen und auf den besten residieren die Firmen.“ Nachzulesen in der offiziellen Publikation „Der Mietwohnungsmarkt“ des Bundesamtes für Wohnungswesen.
Rutz & Leiser: Der Markt soll es richten
So sehen es natürlich auch die Hornbach-Gegner Rutz (SVP) & Leiser (FDP), ihres Zeichens Präsi und Direktor des Hauseigentümerverbandes: See und Sonne sind den zahlungskräftigen Genussmenschen vorbehalten, die unsichtbare Hand des Marktes will das so. Nix da mit Brüdern zur Sonne! Die Brüder und Schwestern der Arbeiterklasse müssen im Schatten verharren. Spätestens seit Hitchcocks „Rear Window“ wissen gebeutelte Kreis-4-Blockrand-Bewohner wie ich, dass uns – manchmal allerdings nicht ohne Charme – nur der voyeuristische Blick in Nachbars Küche oder Schlafzimmer bleibt, manchen gar nur die Aussicht auf die nächste Brandmauer oder die Lärmschutzwand an der Autobahn. Das Rote Zürich sah das seinerzeit ganz anders. Und hat für die Büezer Gartenstadt-Quartiere mit viel Grün gebaut, um sie aus dem dunkeln Gässchen-Elend des Niederdorfs zu befreien.
Den Tödi hat keiner gefragt
Mal abgesehen davon, dass ich diese Seesicht der Dinge voll krass finde: Noch mehr stört mich bei der Seesicht und dem Sonnenaufgang über den Glarner Alpen, wie profitgeile Grundeigentümer ein Stück Natur vermarkten, das ihnen überhaupt nicht gehört. Wasser ist schliesslich ein Gemeingut und die Sonne gehört gar niemandem. Und den Tödi hat schliesslich keiner gefragt, ob er einverstanden sei…
Hornbacher Schiessen Nr. 3: Brüder zur Sonne oder wer hat Anspruch auf Seesicht? (PDF)